Die Lenker wollten einst beim Sulzy eine Brücke bauen, und wie es so ist, so war es auch damals: sie hatten kein Geld.
Sie beratschlagten hin und beratschlagten her - sie sassen beisammen, den Kopf in die Hände und die Ellbogen auf den Tisch gestützt - so sassen sie und warteten auf Erleuchtung; aber sie kam nicht.
Sie zogen ihre Pfeiflein aus der Tasche, freuten sich an den blauen Rauchwölklein und gingen heim, um sich tags darauf von neuem zu versammeln und zu beratschlagen; allein so oft sie den Gemeindesäckel hervorklaubten und öffneten - er war und blieb leer.
Da kam Erleuchtung!
Der Teufel fuhr mitten unter die Versammlung und versprach Geld, viel Geld!
Da rieben sich die Lenker schmunzelnd die Hände.
Nur stellte der Teufel eine Bedingung.
Da kratzten sich die Lenker griesgrämig hinter den Ohren.
Die Bedingung lautete: Der Teufel wolle alles nötige Geld herbeischaffen; doch müssten sich die Lenker verpflichten, als ersten Passagier ein Tier darüber zu treiben, das er nicht kenne.
Sie gingen darauf ein. –
Man begann mit der Arbeit. Von Tag zu Tag sah man die Brücke wachsen; doch statt der Freude schlich sich Sorge und Kummer in die Herzen der Bauern — wie sollten sie die gestellte Bedingung erfüllen?
Wieder kam die Zeit, da sie hin und her beratschlagten, beisammen sassen, den Kopf in die Hände und die Ellbogen auf den Tisch gestützt hielten, sassen und warteten, ihr Pfeiflein aus der Tasche zogen und sich an den blauen Lichtwölklein ergötzten. Und auf Erleuchtung harrten.
Da kam Erleuchtung!
Die Brücke war hergestellt, und jetzt sollten die Lenker das dem Teufel unbekannte Tier darüber treiben.
Dies stellten sie so an. Sie holten ein armes, altes Frauchen ans Tageslicht, bestrichen es mit süssem Honig und rollten es in luftigen Flaumfedern hin und her. Es wurde bis zur Brücke geführt, und nun trollte es auf allen vieren hinüber.
Schon lachten die Lenker auf ihren Stockzähnen und rieben sich schmunzelnd die Hände; aber da donnerte plötzlich der Teufel herzu.
Er stutzte erst und gestand, dass er das Tier wirklich nicht kenne, bei dem sich das Euter am Halse befinde; dann aber überkam ihn solche Wut und Scham, dass er das arme Geschöpf schlug, so dass es tot von der Brücke in die Tiefe rollte, und in seinem Zorn, das Spiel verloren zu haben, und weil man ihn so arg betrog, zerschlug er fluchend und zähneknirschend die eben hergestellte Brücke.
Da kratzten sich die Lenker griesgrämig wieder hinter den Ohren.
Seither haben sie beim Sulzy keine Brücke mehr gebaut; aber die Verheerungen, die der Teufel damals angestellt hat, sind noch heute zu sehen. Noch immer ist es eine unüberbrückte, wilde Schlucht.
Quelle: Georg Küffer, Lenker Sagen. Frauenfeld 1916. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch