Die gedingte Kuh

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

 

Ein Zwerglein klopfte einst bei einem Bauern an und wollte eine Kuh dingen. Aber weil es so schelmisch lächelte und so blau in die Welt hinausguckte, traute ihm der Bauer nicht ganz, erwog aber zugleich, er könnte leicht sein Glück verschütten, falls er ihm nur kurz und grob die Türe weise.

So kratzte er sich ein wenig in den Haaren, brummte etwas in den Bart, stapfte schwerfällig gegen den Stall, suchte das schlechteste und magerste Kuhlein aus und übergab es dem Zwerge.

Lange, lange schaute er ihm nach.

Das Zwerglein band die Kuh an einen Faden, schritt rüstig gegen das Iffigen, und noch am selbigen Tage wurde es von den Lenkern gesehen, wie es mitten durch senkrechte Flühe seinem magern Kühlein wacker voranging.

Da der Bauer von seiner Kuh lange nichts mehr sah und nichts mehr vernahm, glaubte er sie verloren und tröstete sich damit, die schlechteste ausgelesen zu haben.

Allein wie wurde er freudig überrascht, als man an einem schönen Herbsttage im Dörflein die Nachricht verbreitete, mitten durch senkrechte Flühe habe man vom Iffigen ein Zwerglein herunterkommen sehen — und richtig: am Abend klopfte es bei dem Bauern an.

„Zwischen den Klauen findet ihr den Lohn!" rief das Zwerglein und verschwand.

Der Bauer beschaute seine alte Kuh von allen Seiten, und mit einem zufriedenen Lächeln wurde er gewahr, wie brav sie gewachsen, wie prächtig nun ihr Bau entwickelt war und wie das Euter voll herunterhing.

Allein, da er untersuchte und zwischen den Klauen nur je ein Gerstenkorn fand, schob er seine Unterlippe nach vorn und zog die Mundwinkel etwas nach unten.

Trotzdem wagte er nicht, sichtlich unzufrieden zu sein, aus Besorgnis, seinen Glücksbecher zu verschütten, und so legte er die Gerstenkörner sorgfältig beiseite.

Und nach geraumer Zeit, als er einmal wieder an seine gedingte Kuh dachte und den Lohn hervorklaubte, strahlte sein volles Gesicht in Glückseligkeit: jedes Gerstenkorn hatte sich in ein Goldstück verwandelt!

 

Quelle: Georg Küffer, Lenker Sagen. Frauenfeld 1916. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch

 

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