Hinter der Koppisegg am Orte Lanzis, herwärts des Rothorns, waren noch vor Jahren die Überreste des Geviertes einer Alphütte zu erkennen. Die Hütte gehörte ehemals einem Weibervolch, das in dieser abgelegenen Gegend viele Sommer lang mutterseelenallein mit drei Kühen alpete, molk, käste und Anken machte, den meisten Mannenvölchern zum Trotz, und schön und leid Wetter über sich ergehen liess wie es gerade daherkam.
Da das Weibervolch just an der Koppisegg küherte, hiess es in der Leute Mund das Koppisegg Aennelli. Freilich entbehrte es als Alleinstehende der männlichen Hilfe, und des männlichen Schutzes. Dafür war es von der Natur mit solcher Körperkraft und Gewandtheit ausgerüstet, dass es ihm einmal nichts ausmachte, eine mächtige ahorene Tischplatte vom Speicher im Gresgi anderthalb Stunden stotzig bergaufwärts in seine Hütte zu tragen, dazu an einem Strumpf zu lismen und selbst beim Durchsteigen der Felsen untenher Lanzis durch den gefährlichen roten Pfad keinen einzigen Latsch fallen zu lassen.
Auf strenge Arbeit hin wollte das Aennelli aber auch gute Ruhe haben. Dazu gehörte, wenn der Heiterluft gar zu schneidend vom Grat herunter durch die Rafen in die Gastere pfiff, ein gutes Bett, eine warme Decke. Besonders bei Schneefiehrenen taugte das Nestfutter nicht viel. Und überhaupt passte ein Hudelnest nicht zum Weibervolch. Also schaffte es sich eine währschafte Federdecke an, die erste, die jemals auf der Alp war. Zuerst die Statterbuben und später im Dorfe drunten junge und alte Schlingel, foppten das Aennelli noch lange damit:
„Ds Aennelli uf der Koppisegg
Hed das erste Fädrenbett!“
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch