Auf dem Aenderberg, dem Berghang auf der Schattenseite der obern Seegegend, waren einst zerstreuterweise kleinere und grössere, das ganze Jahr bewohnte Heimwesen. Die Bewohner wurden aber oft von herumstreifenden Räubern heimgesucht, weshalb sie sich dann in das Tal verzogen und dort, dem Wasser nahe, den Weiler Kienholz bauten.
Im Widerberggut untenher der Axalp stand damals ein grosses Heidenhaus. Zwei Bauern wohnten in dem Haus, Vater und Sohn. Beide stark und bäumig wie Tannen, bebauten sie fleissig die Wiesen und Äcker, auf denen gar fettes Gras und schönste Frucht gedieh, und besorgten mit viel Geschick und Glück einen Viehstand, der nicht wenig Häupter zählte.
Eines Tages strichen wieder, wie schon oft, die Räuber, sechs an der Zahl, im Aenderberg herum. Auf ihrem Zuge gelangten sie auch zu dem Hause der Widerbergbauern, umstellten es ganz kriegsgemäss, lockten die Bewohner heraus und wollten diese gleich zu Boden schlagen. Aber, ohä! Diesmal sollten sie an die Lätzen geraten sein! Mit harten Fäusten der Junge, mit einem ahorenen Knebel der Alte, hieben die Beiden auf die Kerle los, dass einer um den andern sein wacker Teil abbekam und in hellen Sätzen die Flucht ergriff. - Doch schon am andern Tage wieder trieben die Gesellen ihr Unwesen weiter, erschlugen im untern Aaretal den Bächlischwendibauer und raubten was in ihre Finger kam.
Nicht gar viel später ging das schöne Heidenhaus im Widerberg in Flammen auf. Bei dem Brande schmolzen im Keller so grosse Mengen von runden gelben Käsen, dass davon ein heisser Bach über Land in das tieferliegende Gut, die Brau, hinunterlief. Manche meinen, die Räuber hätten das Feuer aus Rache gelegt.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch