In einem harten Winter waren in den Wäldern rings um Wengen viele Fuchsbaue. Das Raubzeug hatte schlimm überhandgenommen. Weder Huhn noch Katze waren ausserhalb der Dachzube des Lebens sicher. Obschon es ein Jahr für Maus und Vogel gewesen, im Herbst Haselnuss, Acherrand und roter Holunder in Fülle an Baum und Stauden hingen, kam mit dem Schnee und der starrenden Kälte wieder die Zeit der schweren Not über alles Wild. Die Mäuse frassen die Haare von den Schuhsalbbürsten, und die Füchse trieb der Hunger am hellichten Tag auf Raub. Ein Bauer am Lehn war seines Hühnervolkes wegen genötigt, dem Fuchsen obzuliegen. Vor der grimmen Kälte kroch er in einer Scheune ins Heu und war wartend, zwischen den Balken hinaus zum Schuss zu kommen. Die liebe, lange Nacht lag er im Heu, aber keiner von den roten Schelmen liess sich blicken. Der Heustock war angeschrotet, und unten im Stall hörte man dann und wann eine Kuh tryssen. Auf einmal raschelte es an der Scheunenwand, und etwas Schwarzes sprang neben ihm ins Heu. Er fuhr zusammen und spannte den Flintenhahn; da fuhr fauchend ein Marder an ihm vorbei, sprang im Hui an die Dachrafen und zum vordern Giebelloch hinaus. Ein Gestank, ärger als der des leibhaftigen Satans, stach ihn in die Nase. Dann war es wieder so still wie in der leeren Kirche.
Auf der andern Talseite drüben begann der Morgen an den Felsen des Schwarzbirgs schon zu grauen. Nun kam plötzlich von der obern Scheune ein schwarzer Mann herunter bis auf die Platte vor der Stalltüre. Hier blieb er stehen und wartete. Aber man hörte von ihm weder Schritt noch Tritt, kein Lüftlein ging, es war so still, man hätte Flachssamen säen können. Da der Seltsame dem Besitzer der Scheune in Gestalt und Bewegung ähnlich sah, glaubte der Lotzer, der komme, um sein Vieh zu hirten. Um ihn nicht unnötig zu erschrecken, rief er zwischen den Flecken hinaus: „Erschrick nicht, Christen, ich bin hier oben auf deinem Heustock auf der Fuchslotz.“
Da verschwand der vermeintliche Hirter vor der Stalltüre aufs Mal. Den oben im Heu, den blies ein Wind an wie der, der in Föhnnächten vom Gletscher kommt. Nun kam dem Fuchser erst in den Sinn, dass diese Scheune am Lehn ja schon lange verrufen. Durch einen Spalt hinaus sah er, dass der Unheimliche wieder vor der Stalltüre war, papierene Schuhe an hatte, plötzlich auf einem weissen Pferde sass und von der Scheune wegritt. Vorn auf dem gähen Stutzli, wo er hätte absteigen müssen, flog er ein gutes Stück mitsamt dem Ross durch die Luft, und unten ritt er weiter. Da hatte der Lotzer in der Scheune am Lehn das Fuchsen gründlich satt, und er machte sich nach Hause.
Am Morgen wurde er, wohl vom föhnigen Windstoss, krank am Wasser und bekam ein Reissen im Rücken. Uebel und Wehtat vergingen erst, als er während drei Nächten ein Messer in die Wand neben seinem Bette stiess.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch