In der Nähe vom Treichgässli versetzten einst zwei Oberdörfler zum Schaden eines Anstössers einen Marchstein. Im Sommer darauf erkrankte der eine am „Chald“, das langwierige Fieber brachte ihn unter den Boden.
Eines Nachts schreckte den Überlebenden ein deutliches Klopfen am Fenster aus dem Schlafe. Da der Mann nachsah, was zu so später Stunde wohl los sein möchte, hörte er sich von einer Stimme aus weiter Ferne und doch wieder ganz nahe beim Namen rufen. Auf die Frage, wer denn um den Weg sei, meldete sich der Verstorbene und bat einmal der tusigs Gottswillen und das andere Mal fast grollend und drohend, in der nächsten Nacht vor dem Zwölfuhrschlag in das Treichgässli zu kommen und wieder recht marchen zu helfen. Es gehe um ihrer beiden Seligkeit, und vorweg um seine, des verstorbenen Freundes Ruhe im Grabe.
Dem Manne am Fenster klopfte bei diesem Bericht das Herz bis zum Halszäpfchen hinauf. Zum Donner auch, nun artete die Geschichte aus zu bitterem Ernst! Jetzt ging’s ihm allweg doch noch an den Chrossen! Vor Angst am ganzen Leibe schlotternd, stand er dem nächtlichen Rufer Red und Antwort, versprach endlich, da er keinen andern Ausweg sah, zur rechten Zeit am Orte anzustehen, worauf die Stimme sich zufrieden gab und verstummte.
Um die abgemachte Zeit belud sich der Oberdörfler mit einer Strahlhaue und schritt nicht sehr beherzt dem Felde zu in die Nacht hinein. Im Treichgässli kam ihm einer entgegen, der auf den Schultern einen feurig glühenden Marchstein trug. Es war der verstorbene Freund. Dort, wo auf der oberen Seite des Gässli der Scharhag aufhörte und ein schitteres Haggesträss ins Land hineinlief, warf dieser den Stein zwei Schuh hinter den Hag. Hier fingen sie auch an zu graben, ein anderthalb Schuh tiefes Loch. Der Andere setzte den Marchstein darin, der nun wieder am rechten Orte stand.
Als die Arbeit getan war, reichte der Feuermann dem Oberdörfler die Hand zum Abschied. Dieser traute aber der Sache bis zum letzten Augenblicke nicht und hielt statt der Hand den Stiel der Strahlhaue hin. Er hatte gut daran getan, denn als er zu Hause beim Schein des Mijel die Haue versorgte, war deren Stiel, dort wo ihn der Andere ergriffen hatte, schwarz angebrannt.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch