Allemal, wenn die Frau Amtsrichter einen Gang zu Bekannten in den nahen Weiler Kienholz tat, schloss sich ihr ausserhalb dem „ussren Bach“, dem Lammbach, ein mittelgrosser, schwarzer Hund an und folgte ihr dann Schritt auf Tritt. Ging sie jedoch in die Kirche, lief der Hund neben ihr her bis zur Kirchentreppe, kehrte hier kläglich winselnd um und verschwand, man weiss nicht wohin. Ganz sicher aber schlich er sich dann des Nachts vor das Bett der Frau, jaulend und winselnd, dass sich ein Stein hätte erbarmen mögen.
Den Hund verjagen, wie man einen Hund verjagt? Bei Gott, nein! Er war ja doch kein rechter Hund, er war der arme geplagte Geist ihres verstorbenen Mannes, des Amtsrichters, der in dieser Kreaturengestalt dafür büssen musste, dass er sich zu Lebzeiten am Hab und Gut von Witwen und Waisen vergriffen hatte. Eines Tages aber, als am Abend zuvor ihr Herz ab dem Jammer des Hundes hatte brechen wollen, ging die Frau zum Pfarrherrn, erzählte diesem von der Sache und fragte ihn unter Tränen, was sie auch machen solle. Der Pfarrherr gab ihr den Rat, den Geist bei seinem nächsten Erscheinen einmal zu fragen, wie man ihm helfen könne.
Als der Hund am Abend wieder vor ihrem Bette lag, kläglich winselnd und jaulend wie immer, fasste sich die Frau ein Herz und fragte ihn, wie der Pfarrherr geraten, gradheraus ob und wie ihm denn zu helfen sei? Auf die Frage streckte der Hund in einer Pfote, die aussah wie eines Mannes Hand, einen Stoss Papiere, die unter den Fingern angebrannt waren, in die Höhe und sagte traurig:
„Einmal den Himmel verschworen,
Ist ewig verloren!“
Darauf hörte die Frau das Klagegeheul des Hundes sich entfernen, weiter und weiter, bis es in der Nacht draussen verstummte. Der Hund erschien der Frau seit jenem Abend niemals wieder.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch