Es war zur späten Herbstzeit. Ein Bauer hatte am Chilchacher nebenaus dem Dorfe eine Abendhirtete fertig gemacht und trottete nun spät die Dendlisgasse hinunter heimzu, am Rücken das Brentli mit dem halbtägigen Nutzen, in der Hand eine Laterne, die mehr gespenstige Schatten als Licht in den Weg warf.
Als der Hirter dem Mühlebach nahte, glaubte er neben dem Rauschen des Baches und irgendwo aus dem Dunkel heraus ein Stöhnen zu hören, das immer lauter und jämmerlicher ward, je näher er dem Brüggli kam. War da vielleicht jemand in den Graben gefallen? Die Stimme war doch die eines Menschen, da tat gewiss Hilfe not!
Der Bauer stellte sein Brentlein ab und kletterte beim Schein der Laterne das stotzige Grabenbort hinunter. Was er unter dem Brüggli sah, brachte ihm fast das Gruseln bei. Da hockte ein ihm bekannter Dorfgenosse, der unverwandt auf den nämlichen Tupf starrte, dabei zitterte wie ein aspiges Laub und zeitum laut aufheulte.
Auf die Frage, was er hier tue, sagte der Mann mit einer Stimme, aus der die Todesangst schrie, er habe sich halt vertreten, er habe unter die Freimaurer wollen, zur Strafe plage ihn nun der Böse. Der sei da, grad vor ihm, mache ein furchtbar schreckliches Gesicht und wolle ihn nicht mehr aus den Klauen lassen!
Meinte der Hirter, das sei allerdings eine böse Sache, die er sich da aufgehalst habe, aber er wolle für ihn armen Sünder tun, was in seinen schwachen Kräften stehe, betete einmal das Vaterunser vorwärts und einmal rückwärts. Und siehe da, während der Bauer betete, wurde der Unglückliche still und stiller, löste sich die Angst von ihm und bald konnte er, aus dem Banne des Bösen erlöst, mit seinem Retter zusammen den Heimweg unter die Füsse nehmen.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch