Wohnte da im Dorf vor vielen, vielen Jahren ein Hintersäss namens Aeppli, mit seiner Tochter und deren Mann, einem Brienzburger, zusammen unter dem gleichen Dach.
Dem jungen Ehepaar war eben das erste Kind, ein Bub, angerückt. Am Tage der Taufe wurde wacker Chindbettimahl gehalten. Man sang und tanzte, dass die Fenster kläfelten und die ausgeschlarpten Söllerladen gigarsten, und zwischenhinein sprach man fleissig dem roten Italienerwein zu, der bei der hohen Festlichkeit nicht hatte fehlen dürfen.
Da, mitten in der grössten Fröhlichkeit, schob der alte Aeppli sein Glas Roten unsicher über den Tisch hin von sich, stand schwer auf und rief in die Stubete hinein: „Es wäre jetzt alles recht, wenn das Kind nicht mein’s wäre!“
Aber wohl, da hatte das Dreckmanndli in eine Wespere geguselt. Einen Augenblick stand die Taufgesellschaft da wie geohrfeigt, dann rückte der junge Ehemann auf seinen Schwiegervater los, nahm ihn beim Kragen - es gab eine laute Rumorete, und das Chindbettimahl nahm ein jähes, böses Ende.
Der Alte musste sich vor Gericht verantworten. Da er nach langem Leugnen endlich gestand, damals die Wahrheit gesagt zu haben, wurde er zum Tode am Galgen verurteilt, einige Tage später gehängt und sein Leichnam nach damaligem Brauch weitab vom Friedhof auf der Dorfallmend im „Dorni“ verscharrt.
Der Tote konnte aber nicht an die Ruhe kommen. Vorübergehende Leute trafen kurze Zeit danach das Loch offen; sie warfen es wieder zu. Doch schon am andern Morgen war die Grube aufs Neue abgedeckt, und so alle Tage wieder, obschon man sie schliesslich mit schweren Steinen beladen hatte.
Eines Tages kam dann vom Brünig her ein Kapuziner ins Dorf. Diesem erzählten die Brienzer von den Nöten, die ihnen der alte Aeppli nach seinem Tode noch antat. Auf seinen Rat hin brachten sie den armen Sünder wieder in das Dorf, begruben ihn auf seinem Eigentum im Garten vor seinem Hause in der Alpgasse und pflanzten einen unfruchtbaren Baum, einen Buchsbaum, auf das Grab. Und von da an ist der Alte an die Ruhe gekommen.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch