Ein Schnitzler, dem in guten Jahren einmal die Arbeit über den Kopf gewachsen war, lichtete in der Budik bis spät in die Nacht hinein und stichelte im Holz was das Zeug hielt. Gegen Mitternacht endlich legte er Werkzeug und Holz hin, streckte den krummen Rücken, gähnte und riss das Fenster auf, um frische Luft herein zu lassen. Vom Fenster aus konnte er geradewegs auf den Friedhof hinunter sehen.
Leuchtete da nicht ein Licht auf, bewegte sich zwischen den Grabkreuzen hin und her, auf und ab, als wenn jemand mit einer weisslichtigen Laterne herumginge? Schnell dem Sigrist Bescheid gemacht; es hat so spät in der Nacht niemand mehr etwas auf dem Friedhof zu suchen.
Der Sigrist brummte ab der unzeitlichen Störung, tat aber seine Pflicht, betrat den Friedhof und ging auf das weisse Licht zu. Doch das war so eine ungefreute Sache. - Auf einige Schritte nahe gekommen, wich das Licht zurück, schwebte immer vor dem Sigrist her. Lief der Mann, es zu erreichen, gleich floh es rasch vor ihm weg; machte er behutsam, rückte es nicht schneller als er, schwebte es in der Dunkelheit lautlos dahin. Auf einmal packte es den Sigrist wie ein Frost, es schnadellete ihn, wie wenn er nackt im grimmen Bisluft stünde. Er musste heim ins Bett. Ein paar Tage lag er dann schwer krank. Was es mit dem Licht für eine Bewandtnis gehabt hatte, darüber gab er nachher niemand Auskunft.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch