Seeungeheuer

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Etliche Ruderschläge ostwärts des Giessbaches säumen die hohen, stellenweise senkrechten Flühe des Rauft und des Entenwinkels das Seeufer. Jäh stürzen die Felsen in das tiefe blaugrüne Wasser, erheben sich am einen Orte glatt wie ein aufgestellter Tanzboden, an andern von schmalen Bändern mit Gesträuch und schwarzgrünen Tannen unterbrochen, in die Bläue des Himmels. Zwischenhinein senkt sich wohl auch ein Streifen Laubwaldes niederwärts, dessen unterste Bäume bei frühsommerlicher Fülle des Sees ihre vorwitzigsten Blätterbüschel in das kühle Nass tauchen.

Einsam und still ist es an diesem Ufer; denn ohne Not rudert niemand in die wilde Abgeschiedenheit hinein, ja, nicht einmal die Sonne findet ungehemmt Zutritt, und so herrscht besonders in der engen, hohen Bucht des Entenwinkels, der nächtlichen Zufluchtsstätte der wilden Enten, jenes trübe, trügerische Tageslicht, das dem Gedeihen seltsamer Lebewesen förderlich ist.

In dieser Gegend hausten einst die Seeungeheuer. Vom Mitternachtwind hieher abgetriebene Schiffsleute hatten Kunde von ihnen. Es waren zumindest zwei grossmächtige Tiere, mit Leibern wie Schlangen. Oder wie Fische? So sicher lässt sich das nicht sagen. Aber Köpfe streckten die über Wasser! Grausliche Köpfe, mit einer schrecklichen Schnauze, fast wie die eines Hundes. Und mit zwei krallenbewehrten Füssen schwammen sie, grodelnd wie ein Hund, im tiefen Wasser der Bucht. Die Ungeheuer wären sehr wohl imstande gewesen, die Boote der Schiffsleute zum Kentern zu bringen und die ins Wasser gestürzten Menschen gradwegs zu verschlingen. Man wich ihnen deshalb aus dem Weg, wo man sie traf. Und weil die Menschen so vorsichtig waren, blieb auch nie einer in ihren Krallen hängen. Dagegen behaupteten die Fischer durch alle Wände, die Ungeheuer vertilgten grosse Mengen von Fischen, weshalb die Hechte und Forellen, die Egen, Hasel, Balchen, Bläulig und Brienzlig im Brienzersee so rar geworden seien, dass der Beruf bald nichts mehr eintrage.

Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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