Mächtige Fische bevölkerten noch bis Ende des letzten Jahrhunderts den Brienzersee. Schiffleute hatten solche oft gesichtet, wie sie mindestens zu Dritt in der Wasserdünne am alten Aaregg oder tief in der Bläue der Grundfuren vor dem felsigen Ufer des Aenderberges eng nebeneinander lagen oder langsam und stolz dahinzogen.
Das alte Aaregg ist eine stumpf in den See hinausragende Landzunge, von der Aare vor der Haslitalentsumpfung aufgeführt. Der Lauf der Aare ist noch heute durch eine sumpfige Lischeren gekennzeichnet, während die beidseitigen Ufer zu Wies- und Pflanzland hergerichtet sind.
Zu den letzten Leuten, denen die Fische begegneten, zählten Michel Jaggelli und sein Weib. Die Beiden fuhren eines Spätsommertages mit dem Ruderschiff vom Dorf hinüber an das alte Aaregg zu ihrem Pflanzplätz, Jaggelli rudernd, sein hageres Weib Aenni auf der Biete sitzend, die Hände müssig im Schoss. Im Gleichtakt rauschten die Ruder, der einzige Laut ringsum. Ungefähr auf der Höhe der Lischeren schoss Aenni plötzlich von ihrem Sitz auf und schrie Jaggellin an: „Häb usi, häb usi!“
Und Jaggelli im ersten Chlupf:
„Für was denn?“
Mit schmalem, hartem Finger wies Aenni gegen die Lischeren zu ins Wasser:
„Gross’ Fisch’!“
Nun sah Jaggelli sie auch. Drei an der Zahl, schwammen sie nebeneinander her, hoben ihre breiten dunkelgrauen Rücken zuweilen leicht aus dem Wasser. Mächtige Fische; lang und rund wie währschafte Ladhölzer! Kaum zwanzig Schuh weiter und er hätte sie angefahren. Soviel ermass Jaggelli in der Eile. Dann drehte er das Schiff sachte aber rasch gegen den offenen See hinaus und ruderte einen weiten Bogen um die Kolosse herum.
Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch