D’r Steinbärg und das Ammertental,
die sygen des Predikanten,
Aer schläd uf d’s Britt, äs syg eso
äs gäb mu z’wenig Anken!
Zur Zeit, als dieser hinterste Winkel des Tales, wo man wirklich seine liebe Mühe hat, einen Sommernutzen herauszuwirtschaften, dem Predikanten gehörte, bereitete einmal eine schwarzplöschete, eigensinnige Kuh den beiden Älplern eitel Verdruss und Ärgernis. Den Raubauz hatte ein Schuldenbäuerlein zur Sömmerung gegeben. Gegen alle andern Kühe war sie unverträglich, und zum Melken kam es öfters vor, dass sie ausschlug wie ein störrischer Esel; auf der Weide sonderte sie sich von der Herde ab, stiefelte wie die Geissen, dass sie oft aus Fluhbändern heruntergeholt werden musste, chetten (heran locken) und hojen waren umsonst. Wo sich irgendwie Gelegenheit bot, kehrte sie das Lätze nach aussen. Sie war hagbrüchig und eine Gefahr für die Herde. Das hätte den Sennen niemand ausgeredet, dass der leibhaftige Satan in der Schwarzplöscheten stecke.
Als sie eines Sommers zum erstenmal zu Tagweid fuhren, da nahm die Kuh auf einer Fluh den Schreithag auf und warf Stecken und Schiji (Staketen) in hohem Bogen hinaus. Die beiden Sennen waren wütend über das verfluchte Ruossgaden, das ihnen die schwere Arbeit auf der Alp noch schwerer machte. Und als sie nach langem Umweg in sauren Bürden Stecken und Schiji wieder herauftrugen, wurden sie einig, die schwarze Brente, wenn sie noch einmal hagbrüchig werde, auf die Seite zu schaffen. He — der machte man es denk etwa wie den Bären in den schmalen Fluhwechseln!
Die beiden stellten den Wildhag auf dem Fluhrand wieder auf und legten ausserhalb und innerhalb saftige Tannenrinde mit der Innenseite nach oben. Als sie wieder hinaus zu Tagweid fuhren, ging die Schwarze mit gesenkten Hörnern noch einmal auf den Hag los, aber — oohä — auf der glatten Rinde glitschten ihre Klauen — und dann hat es sie hinausgeputzt über die Fluh.
Weder Haut noch Fleisch waren verwertbar, und das Bäuerlein im Tale unten kam mit seinen Schulden noch ärger in die Klamm.
Aber — schon im Winter drauf wurde der, der die böse Tat ersonnen, krank und bresthaft, und der Tod streckte ihn noch vor der nächsten Alpauffahrt. Des andern Haar war taubweiss geworden, und als zu Mittsommer zum erstenmal die Herde in Ammerten zu Weid getrieben wurde, da sah er am heiterhellen Tag den verstorbenen Sennen. Der trug, keuchend unter der schweren Last, eine Hälfte der dahergefallenen Kuh herauf. Dem grossen Sennen, dem war noch nie ein so eiskalter Schauer durch den Leib gefahren, und der hatte sich noch nie so gefürchtet, als jetzt, da der Mann mit der unheimlichen Tregi ihm zurief: "Um des Herrgotts Willen, entlast deine Seel bei Lebzeiten, tu was recht und ersetz dem armen Bauern den Schaden, die andere Hälfte der Schwarzplöscheten, die wartet drunten auf dich!"
Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.