Zur Alp Suls gehören auch die weiten Sausböden, obwohl sie schon jenseits der Wasserscheide auf einem hohen Fluhsatz über den grünen Gründen der Sausalp gelegen sind. Sie können eben nur von Suls aus bestossen werden. Hier oben heisst eine grosse Felsplatte, nach Saus hin abschüssig, das Rosswengli. Nur die ältesten Sennen der Gegend wissen um die Herkunft des Namens.
Vor einem Menschenalter, als noch der geruhsame Pferdeverkehr über die Passtrassen des Berner Oberlandes in der Blüte stand, da waren einige Fuhrhalter reiche Leute, und sie wetteiferten miteinander, die schönsten Pferde in Form und Farbe zu ziehen. Es kam öfters vor, dass sie die edlen Tiere nicht vor dem fünften Altersjahr in die Stangen stellten, in der Absicht, starke und ausdauernde Züger zu bekommen, die gingen wie die Gemschi.
Sommerüber trieb man die schönen Jungtiere mit dem Rindvieh zu Alp. Aber in Gewitternächten, oder wenn gar Hagel fiel, da hatten die Sennen mit ihnen ihre liebe Not. Sie machten es nicht wie die Kühe, die zur Nachtzeit nie rücken, dem anbrausenden Unwetter die Hinterseite kehren und ruhig auf ihrem Standorte bleiben.
Ob ein Ross ausschlage und einem Hochgewitter standhalte, das weiss man ja erst, wenn die Haut in der Gerbi ist. Gehalte gab es damals keine. Konnten die Tiere in der Nacht, wenn der Himmel grollte, nicht rasch in Värriche getrieben werden, dann rannten sie davon wie zum Rohr hinaus.
Vergebens hatte einst ein Einsichtiger an der Alpeinung von Suls gemahnt, im Pferdeläger auf den Sausböden einen starken Pferch zu errichten.
In einer schwülen Hochsommernacht darauf suchte ein Unwetter Suls heim. Da oben, auf der höchsten Alp in weitem Umkreis, schlug in der pechschwarzen Finsternis ein Donnerschlag in den andern, die Flühe tönten ehern. Es rauschte, rasselte, knatterte, und die Hagelschlossen trommelten auf Stein und Wasen, wie wenn ein Felsenbruch zu Tale ginge.
Was nützte es, dass die Sennen hineinhasteten nach den Sausböden! Sie hörten die Herde im Toben der Elemente ihnen entgegen schnauben und stampfen mit dem Teufel um die Wette. Da halfen weder Grobe noch Güte; die Rosse rannten über die Fluh hinunter nach Saus, Fuchs und Scheck und Schimmel und Rapp, die edlen Tiere der freien Weite! Dumpf hörte man im Tosen die Aufschläge; es waren ihrer gar viele. Noch im Jahr darauf stiess der Adler aus den Höhen nieder, und schlich der Fuchs aus dem Hochwald her nach der Unglücksstätte, und lange Jahrzehnte hindurch bleichten Haufen von Knochen am Fusse vom Rosswengli.
Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.