In Gimmelwald lebte ein Bauer, der war ein recht unvernünftiger Werkteufel. Er arbeitete nicht nur von einem Sternenschein in den andern, sondern auch die halben Nächte hindurch. Wenn er nicht werken konnte bis zu mitternächtlicher Stund, so brach es ihm schier den Schlaf. Einst, als es schon längst Schlafenszeit war, trug er Holz durch einen stockfinsteren Tannenwald. Auf einmal, er war kaum eine Stubenlänge von der Beige fort, da merkte er, dass ihm ein Mann auf den Fersen war; er fühlte, der ist lang, dürr, und es gibt kein Entrinnen. So unvermittelt, mit einem jähen Ruck, riss der Lange ihm die schwere Bürde vom Rücken, dass er auf die Nase fiel. Das Blut gerann ihm in den Adern, er brachte kein Wort hervor, es war, als ob der Schlag ihn auf die Rede getroffen. Der Gimmelwalder hörte noch, wie hinter ihm seine Tannasttregi mit hartem Krach auf die Beige zurückgeworfen wurde. Dann aber hatte er des Hasen Schuhe an, in einem Hui rannte er haarscharf an den brandschwarzen Hochstämmen vorbei, durch das Unterholz hindurch, dass Knöpfe und Nähte am braunen Halbleinrock sprangen — über Stock und Stein heimzu. Der Dürre, Lange schien immer noch nach ihm zu greifen; den jähen Ruck im Rücken spürte er noch nach Wochen.
Der Bauer trug nie mehr zu Nachtzeiten Holz aus dem Wald, aber mähen tat er jetzt, zur Zeit der hellen Nächte, weit über das allerletzte Taglicht hinaus, ln einer Nacht mähte er in seiner Bergweide eifrig an einem Dornbusch vorbei. Wie er vor dem Wetzen mit einer Handvoll Gras sein Werkzeug putzte, da tönte es dumpf aus dem Busch hervor:
"Där Tag ist din,
Die Nacht ist min,
Lass mich unterm Dornbusch in Ruohe sin!"
Er liess die Sense klirrend fallen — und in wunderlichen Sätzen wie eine hüpfende Runkelrübe, hopste er hangab — wieder heimzu. Er beachtete es kaum, dass bei jedem Sprung sich das Wasser aus dem Wetzsteinfass an seinem Gürtel in einem lustigen Plantsch in seine älbbraunen Hosen ergoss.
Der Gimmelwalder sagte keiner Menschenseele eine Silbe von dem, was er erlebt. Seine Dorfgenossen aber verwunderten sich sehr, dass er auf einmal nicht mehr zu Unzeiten am Werken war.
Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.