Seit altersher gab es in der Sefinen aussergewöhnlich viele Schlangen, und zuzeiten wurden sie für die Alp zur Plage. Auf dem Kühboden hinter dem Bründli sah man einmal eine, die so gross war wie ein Ladholz.
Einst kam ein Kapuziner über die Furgge und sah die eklen Kriechtiere sich im Grase wälzen oder auf Felsplatten sonnen. Er anerbot den Sennen, um den Preis eines fetten Alpkäsleins die Schlangen zu verbannen. Die Hirten aber waren zu dumm und zu geizig und lehnten es ab.
Der Klosterbruder gab ihnen zurück: "Ihr Racker und Geizkratten, hätt’ ich das, was ihr zu wenig habt, dann hätt’ ich wahrlich genug. Mag auch sein, dass ihr meiner Kunst nicht traut. Fürwahr, ich will euch ein Exempel geben. Fortan sollen Vipern und Ottern und alle giftigen Tier den Grund zwischen Tschingel- und Sefinenlütschine, ob Wald, ob Weid, ob Fels, meiden wie der Teufel das heilige Kreuz, eher Hungers sterben."
Seither hat niemand mehr eine Schlange gesichtet zwischen den Wassern der beiden
Lütschinen, aber nördlich vom Wasserlauf, auf Sefinen, gab es immer mehr von dem Gezücht.
Das war so auffallend, dass etliche nicht umhin konnten, mit gespaltenen Haselstecken von den giftigen Würmern zu fangen und sie über die schäumende Lütschine hinüberzuschleudern. Und jeder, der es tat, verfluchte sich Leib und Seele, die Schlangen seien, als ob der Boden unter ihnen glühend, in unruhiger Hast wieder gen Sefinen der Brücke zugerollt.
All die Nutzniesser der mälchen Alp gäben gerne etwelche von den gelben, fetten Bergkäslein, wenn er noch einmal käme, der Schlangenkapuziner.
Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.