In einer Hütte auf Sefinenalp kam den Älplern eines Sommers etwas so Seltsames zuhanden, dass sie den Verleider bekamen und drohten, der ganzen Sennerei den Buckel zu kehren. So peinlich sie im Stall auch Ordnung hatten und jedes Haupt an seinen rechten Platz an die Barni banden, kurz nach Mitternacht unmussete (unruhig werden) das ganze Gewerb, und am Morgen waren stets zwei Kühe in einer Seilschlaufe. Die beiden Tiere stampften und zerrten, waren schier am Ersticken, und ihr Milchertrag war gering. Der Knoten in der Seili war so stark und zäh eingerissen, da half kein Fluchen und Wüst tun, das ganze Seil musste zerschnitten werden, und so ging es, bis die Alp leer wurde.
Das lag auf der Hand, dass zu Beginn des nächsten Alpsommers ein Kapuziner kommen musste, um Abhilfe zu schaffen.
Da kam dann einer aus Unterwalden, ein kurzer, dicker Knutti, der, wenn es streng bergauf ging, den Atem gar tief unten holen musste. A—aaber ooha, dieser Pater, der verstand seine Sache! Sobald er das Gehalt betrat, betete er:
D’r Liebgott well ys decke, d’r Liebgott well ys wecke! Gott gäb ys Schirm und Huod, sächs Nachtengel guod, zwee zu Hoipt und zwee zun Fiesse und näben ys. D’r Liebgott well ys bewahre vor aller Gfahr, vor Fyr und vor Wasser und vor Schand und vor Laster und vor alle fuile, faltsche Zunge und vor alle unglickhaftige Stunde und vor allem däm, wo ys ibel chund. Oh, b’hiet ys Gott dervor! Amen!
Am Morgen darauf, als wieder zwei Haupt in die gleiche Seili gezwängt waren, nahm der Kapuziner einen tannenen Sparren, schlug damit in den drei höchsten Namen dreimal auf den Knoten und siehe — er liess sich mit Leichtigkeit lösen. Hernach bohrte er ein Loch in jede der Hüttenecken, steckte einen Zettel hinein und verzäpfte es wieder. Seither litten weder Sennen noch Vieh mehr unter der lästigen Alpplage.
Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.