Vor dem Schlosse Ramstein in Baselland steht ein Sennenhaus; vor dreißig Jahren war dort ein älteres, welches abgebrochen wurde, und von welchem man das morsche Gebälke zum Kalkbrennen gebrauchte. Um die zwölfte Stunde, als dies Holzwerk brannte, zersprang unter fürchterlichem Krachen der Kalkofen und stob in alle vier Winde.
Zwei Männer traten aus der Glut hervor; der eine mit langem weißem Bart, wie ein Jude; der andere ein grün gekleideter Jäger. „Seit vielen Jahrhunderten, sagte dieser, hab' ich, in den Balken gebannt, Höllenqual ausgestanden. Dieser Balken war früher Stamm einer Tanne, an welcher ich einen armen Bauern aufknüpfen ließ, der sich mit bewaffneter Hand widersetzte, als ich mit meinen Rüden seine Saaten durchstreifte“; und der Jude bekannte, dass er vor 400 Jahren vier Menschen im Schlosse vergiftet habe und, von dem Burgpfaffen in einen Jagdhund verwandelt, in den nämlichen Balken gebannt und dem Jäger zu namenloser Pein überantwortet worden sei. – Beide baten nun, dass man ihnen für die Nacht ein Obdach in der Kalkhütte gewähren möchte, worauf dann ihre Erlösung folgen würde. Geschehe dies nicht, so müssten sie in den angebrannten Holzblock zurück.
Statt aller Antwort beteten die Kalkbrenner: „Alle guten Geister!" – – – und plötzlich schrumpfte der Jäger in ein winziges Zwerglein, der Jude in ein kleines schwarzes Hündlein zusammen und beide schlüpften in den Balken zurück, welcher sodann in unbesonnenem Scherze dem neuen Sennenhause einverleibt wurde.
Die Strafe folgte bald; denn ein Jahr darauf raffte eine schreckliche Seuche, der Angriff genannt, sämtliches Vieh des Schloss-Sennen hinweg, und an der Brust aller gefallenen Stücke soll eine Spur von fünf schwarzen Fingern bemerkt worden sein.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.