Im Jahr 1338, als zwischen den Kronen Englands und Frankreichs ein Krieg erhoben und sich Deutschland mehr zu England hinneigte, hatte Frankreich nach der deutschen Seite seine Grenze versperrt und allen Eingang verboten. Trotz diesem Edikt hatte sich ein basler Kaufmann mit seiner Ware nach Frankreich gewagt, meinend, da er in der französischen Sprache wohl erfahren sei, werde man ihn leichtlich für einen gebornen Franzosen halten, so dass er sicher unerkannt und verborgen bleiben würde. Dieses Wagnis schlug jedoch fehl, denn bald als Fremder erkannt, ward er auf eines Edelmanns Schloss gebracht und in einem hohen mit Wassergräben umgebenen Turm mit Ketten an Händen und Füßen gefangen gehalten. In dieser Not nun soll der Kaufmann ein inbrünstiges Gebet an die heilige Jungfrau Maria gerichtet und dieselbe gar flehentlich um Hülfe angerufen haben, welche, sein Gebet erhörend, auch alsbald in eigener Person in königlichem Gewand und mit güldener Krone auf dem Haupt, in seinem Kerker erschienen sei und ihm mit den Worten: „Stehe auf mein Geliebter und folge mir!“, die Hand gereicht habe. Darauf seien die Ketten von ihm gefallen, die Mauer des Gemachs habe sich gespalten und ungefährdet und unverletzt habe ihm die heilige Jungfrau aus dem dreistockhohen Gefängnis trockenen Fußes über das Wasser geführt, ohne dass die Turmhüter etwas gemerket, und er alsbald glücklich in Basel angekommen sei, wo er seiner wunderbaren Rettung Meldung getan.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.