Zwischen den Klippen des Rheinfalls sieht man oft die Gestalten weißer Pferde hin- und herschwanken. Gewöhnlich geschieht das in den Nächten vom Freitag zum Samstag. Man sagt, das sollen die Geister der Pferde sein, welche die Allemannen, die von der Mündung der Elbe kommend bis vor an die Quellen des Rheins drangen, hier opferten und von denen sich, wie man in den schaffhauser Zeitbüchern lesen kann, vor nicht gar zu langer Zeit zwischen den Ritzen der Felsen noch die Hufeisen vorfanden.
Früher sprach man auch von einem Wagen mit Rindern bespannt; der soll bis hin nach Schaffhausen und um die Stadt dreimal herumgefahren sein. Einige sagen in der Luft, Andere auf der Erde. Sei er von links nach rechts, habe es etwas Gutes, sei er von rechts nach links gefahren, habe es etwas Böses bedeutet. Von alle dem weiß man aber jetzt nicht mehr viel.
Endlich erzählt man auch noch von einem Geisterschiff, das blitzschnell wie ein Pfeil den Fall herabschießt und dann in dem Strudel verschwindet. In diesem Schiff sitzt ein Fischer, der einst in seinem Kahn eingeschlafen, unbewusst in die Nähe des Falles geraten und von Gottes Hand beschützt die grausenhafte Fahrt glücklich überstanden haben soll. Statt Gott für seine Rettung zu danken, sei aber der Bursch durch das Abenteuer übermütig geworden und habe gewettet, dasselbe noch einmal zu bestehen, meinend, das Schiff, das den Schläfer da glücklich durchgebracht, werde den Schiffer wachend und am Steuer, noch weit sicherer jede Gefahr vermeiden lassen. In der Tat habe der Fischer die Fahrt noch einmal gewagt, sei aber ein Opfer seines Frevelmutes geworden, zu dessen Strafe er nun zu jener Geisterfahrt verdammt ist.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.