Auf der südlichen Seite des Albis *) liegt der Türlersee. Nicht immer sollen seine Fluten den Fuß des Albis bespült haben. Trockenen Weges schritt man einst dort in einem lieblichen Tal zwischen grasreichen Wiesen und fruchtbaren Feldern einher. Dieses Tal gehörte zu dem Besitze der Freiherren von Schnabelburg, deren Schloss hoch oben auf einer Spitze des Albis stand, und Felder und Wiesen darin wurden von einem der Pächter dieser Edelleute, welche eine alte Chronik Grafen nennt, verwaltet und bewirtschaftet. Einer dieser Pächter, so erzählt nun die Sage, soll seine Tochter, deren Schönheit die Aufmerksamkeit des Burgherrn auf sich gezogen hatte, diesem gegen den Besitz jener Felder und Wiesen verschachert und die im Geleite des Vaters sich ungefährdet wähnende Tochter dem Grafen auf dem Schlosse selbst zugeführt haben, wo ihm das auf so schändliche Art erworbene Besitztum schriftlich und urkundlich zugesichert worden sei. Kaum aber sei er, diese Urkunde in den Händen, zu dem neuen Eigentum heimgekehrt, so habe sich ein fürchterlicher Orkan erhoben, Berge seien geborsten und hätten die Zugänge des Tales ausgefüllt, welches Wasserströme vom Himmel, den unnatürlichen Vater samt seinem neuen Besitz für immer von der Erde vertilgend, von da an in den See umgewandelt hätten, welcher es jetzt ist. Der Graf aber habe reuevoll die Tochter freigegeben, welche den Schleier genommen und als Nonne gestorben sei.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.
*) Der Albis liegt zwischen dem Sihltal im Osten und dem Reppischtal und dem Aeugstertal mit dem Türlersee im Westen.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.