Unweit Surava, in Graubünden, stehen die Mauern eines Hauses. Sie sind innen alles Getäfels und Gebälkes entkleidet; durch die offenen Fensterhöhlen zieht der Wind und oben sieht der Himmel hinein. Im untern Stockwerk finden sich noch Spuren einer Esse. Der Landmann zieht schaudernd vorüber; denn er kennt die Sage vom Schmied mit dem feurigen Eisen.
Der war in uralter Zeit Besitzer dieses Hauses und der dazu gehörigen Schmiede und befand sich, als der einzige Schmied der Umgegend, bei seinem Berufe sehr wohl. Siehe, da kam aus der Fremde ein junger, frischer Gesell von Tiefencastel, welches bekanntlich unweit Surava liegt. Der Weg führte ihn an der Schmiede vorbei und, angezogen von den Funken, welche lustig emporsprühten, trat er bei dem Meister ein. Sie kamen ins Gespräch und der Gesell erzählte dem Alten, wie er nun im Sinn habe, in Tiefencastel ebenfalls eine Schmiede zu errichten, und wie es ihm weder an Geld noch Geschick fehle, sich eine gute Kundsame zu erwerben. Da erwachte im Herzen des Alten grollender Neid, und der Böse, der überall bei der Hand ist, wo der Mensch eine Blöße zeigt, gab ihm einen verruchten Mordplan ein. Der Meister bot dem Jungen freundlich ein Nachtquartier an, und da es schon spät und finster war, nahm dieser es mit argloser Freude an.
Aber als ein tiefer Schlaf des Jünglings Sinne gefangen hielt, stieg der alte finstere Schmied hinunter in die Werkstatt, nahm eine spitzige Eisenstange: „der Blasbalg gahrt, die Funken sprühn" und bald ist das Eisen glühend. Und als es glühend war, schlich er hinauf in die Kammer, wo der Jüngling schlief, und stieß ihm den knisternden Stab durch die Brust!
Den Leichnam begrub er. Kein Zeuge war gegenwärtig und die Tat blieb verschwiegen. Aber die Reue und in ihrem Gefolge die Verzweiflung verfolgten den Mörder von nun an auf allen Stegen und Wegen.
Endlich ging er hin zu dem Priester des Orts und beichtete die entsetzliche Tat. Dieser riet ihm, sich selbst den Gerichten zu verzeigen und durch den Tod auf dem Rabenstein den zürnenden Schatten zu versöhnen. Aber er scheute sich zu sterben durch Henkershand und ging in sein Haus und schnitt sich die Kehle ab.
Die Schauer der Hölle lagerten sich seither über der Wohnung und ringsherum wurde das Land öde. Um Mitternacht steigt der alte Schmied aus den Trümmern; man hört da, wo die Schmiede war, das Gahren des Blasbalges und sieht die wilden Funken sprühn. Alsdann tritt er kohlschwarz mit dem knisternden Eisen in der Faust aus der Türe, wankt ächzend nach der Stelle, wo, wie man sagt, die Gebeine des Gemordeten liegen, und steckt den knisternden Stab in die Erde hinein, aus welcher alsbald wilde Flammen schlagen, in denen der Geist des Mörders heulend verschwindet.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.