In einem Dorfe des Kantons Glarus lebte einst ein Weib. Dieses Weib war eine Hexe. Lange Zeit wusste man dies freilich nicht, endlich ward es aber doch offenbar. Dies geschah auf folgende Art.
Wollte nämlich das Weib des Nachts zu ihren Hexenversammlungen, so pflegte sie am Abend vorher das Fenster des Schlafgemachs, in welchem sie mit ihrem Mann schlief, zu öffnen. War der Mann eingeschlafen, so flog sie Nachts in der Gestalt einer Hummel zum Fenster heraus und kehrte erst bei der Morgendämmerung wieder heim, wo sie dann in ihren unterdessen im Bett zurückgebliebenen Leib durch den Mund wieder einzog.
Da trug es sich nun einstmals zu, dass der Mann, wahrscheinlich durch einen kalten Zug, durch das offenstehende Fenster verursacht, erwacht, aufstand und das Fenster schloss, worauf er sich wieder niederlegte. Gegen Morgen erwachte er jedoch von Neuem, dies Mal aber von dem Summen einer Hummel, welche immer ängstlicher und ängstlicher außen vor dem Fenster herumflog und sich alle mögliche Mühe gab, in die Stube hineinzukommen, bei Anbruch des Tags aber plötzlich verschwand.
Darauf nun habe sich der Mann nach seiner Frau herumgedreht, um ihr die merkwürdige Geschichte zu erzählen; diese aber sei zu seinem Schrecken eiskalt und bei näherem Nachschauen tot gewesen, da sei ihm augenblicklich klar geworden, welche Bewandtnis es mit seiner Frau und der Hummel gehabt habe.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen., Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.