Ein altes Mütterchen, welches Gott mit einem Alter von 100 Jahren gesegnet hatte, und in Luzern und dessen Umgebung noch vor wenigen Jahren unter dem Namen die Megger-Meili bekannt war, erzählte von gar wunderbaren Erscheinungen, welche sie in den Ruinen von Neuhabsburg, besonders an gewissen Tagen gehabt haben wollte. Oftmals wenn sie des Morgens frühe oder des Abends in der Dämmerung an ihnen vorbeigegangen oder in einem Kahne auf dem Vierwaldstättersee von dem Burgweidli nach der Angelfluh geschifft sei, habe sie stattliche Ritter, oft wie Höflinge mit seidenem Wams bekleidet, dann wieder in Stahl gehüllt, mit Helm und Schwert gesehen. Im ersten Falle hätten sie ihr von den Ruinen herab freundlich zugenickt oder ihr wohl gar gewinkt hinaufzukommen; im letzteren dagegen hätten sie mit den Schwertern geklirrt und ihr mit geballten Fäusten und drohenden Gebärden zu verstehen gegeben, sie solle sich so schnell als möglich entfernen. Einmal habe sie, nach einer so freundlichen Einladung, es gewagt, die kleine zwischen dem See und der Burg befindliche Wiese zu betreten. Dort habe sie zu nicht wenig Erstaunen und Entzücken gesehen, wie die Ritter mit einem goldenen Kegelspiel sich ergötzten. Gern hätte sie eine der schön glänzenden Kugeln in ihrer Schürze aufgefangen, allein es sei ihr unmöglich gewesen, indem dieselben ihr Ziel nie überschritten gehabt hätten oder ihr nahe gekommen wären.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch