Zwischen Allières und Cerniat steht ein einsames Haus, das man les Cerniettes nennt. Ein böser Kobold spuckte seit einiger Zeit in demselben. Des Nachts rumorte er auf dem Heuboden, oder pochte derb und grob, wie ein Tiroler oder Guggisberger, an Türen und Fensterladen, oder band im Stalle die Kühe los, dass man sie des Morgens alle im Stalle fand. Unter verschiedenen Gestalten, bald scheuslich, bald läppisch, bald sogar zierlich und angenehm anzusehen, schreckte, neckte und quälte er Menschen und Vieh, so zwar, dass sie oft, des Nachts besonders, gar keine Ruhe haben konnten. Einst kosete der Hausknecht mit der Magd gar traulich auf der Bühne, da zeigte sich der Spukgeist plötzlich und mit fürchterlichem Geheul den beiden Verliebten als ein ungeheurer, schwarzer Kater mit feurigen Augen, dass sie vor Entsetzen in die zum Glück mit Heu bedeckte Tenne und in lächerlicher Unordnung hinunter purzelten, wo sie vor Schrecken und Furcht erzitterten, wie Espenlaub, wenn es windet im Walde. Man hatte schon alle gewöhnlichen Mittel versucht, den lästigen Quälgeist los zu werden, aber ohne Erfolg; denn er trieb sein Unwesen nach wie vor. Endlich aber gelang es dem Pfarrer von Montbovon ihn aus dem Hause zu treiben, und in ein nahes Felsenloch am Hongrinbache zu bannen, wo jetzt noch das hineinfliessende Wasser seine Bosheit und die Lust zu losen Streichen abkühlt: so gross war damals noch des Wunderglaubens Macht und die Wirkung des geistlichen Beschwörers!
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch