In dem Wirtshaus zu Pont-la-ville sassen eines Abends mehrere Männer beisammen und besprachen sich über die Notwendigkeit einer Brücke über die Saane, deren Wogen zwischen Felsen und Klippen dort im wilden Strudel schäumen und toben wie an keiner andern Stelle ihres Bettes. Vieles wurde hin und her gesprochen. Alle sahen die Wohl- tätigkeit eines solchen Baues ein, alle aber verzweifelten auch an ihm, da bei der Armut der Gemeinde die Ueberwindung der sich darbietenden Schwierigkeiten eine reine Unmöglichkeit zu sein schien. Da trat plötzlich ein Fremder, nach seinem grünen Wams zu schließen, ein Jägersmann, der an einem andern Tisch, in seinen Mantel gehüllt und den grossen spanischen Hut mit der Feder darauf tief in das Gesicht gedrückt, ihrer Rede schon längst gelauscht hatte, an sie heran und erbot sich, er wolle ihnen eine solche Brücke bauen und das in kürzester Frist. Auch wolle er alles nötige Material zu dem Bau liefern und da es ihm weder um Lohn noch um Ehre zu tun sei, verlange er für das alles blutwenig, so gut wie nichts; man solle ihm nur das erste lebende Wesen, welches über die Brücke nach ihrer Vollendung gehen würde, als Eigentum versprechen. Gefiele ihnen der Handel, so sollte ihm einer aus der Gesellschaft als Zeichen des Einverständnisses den Handschlag geben.
Nach kurzem Beraten ging man auf den Vorschlag ein. Der Handschlag ward geleistet. Der aber, der dies tat, erschrak und erblasste, als er seine Hand in die des Fremden legte, und als derselbe kurz darauf sich entfernt hatte, erzählte er, er habe in seiner Rechten ganz deutlich die Krallen des Teufels gespürt. Jetzt erst wurde den Anwesenden klar, welch sündigen Vertrag man eingegangen. Furcht und Besorgnis um ihr Seelenheil ergriff sie. Unter ihnen war aber ein Schneider, ein gar schlauer Geselle, dessen Mutterwitz schon manchen aus der Verlegenheit gezogen hatte. Dieser sagte auch jetzt: "liebe Freunde, beruhigt euch, bin ich mit manchem schon in meinem Leben fertig geworden, werde ich wohl auch mit dem Teufel fertig werden."
Obgleich die Uebrigen sich durch diese Versicherung etwas getröstet fühlten, denn der Schneider war, was sonst gegen die Gewohnheit der Schneider ist, ein Mann, der niemals versprach, was er nicht ausführen konnte, so trennte man sich doch an jenem Abend in banger Erwartung der Dinge, welche der kommende Tag bringen würde, und keiner von ihnen konnte da, wie sonst, daheim die gewohnte Ruhe finden, was übrigens, bei dem fürchterlichen Wetter, das die ganze Nacht hindurch tobte, sowieso unmöglich gewesen wäre. Erst gegen Morgen legte sich der Sturm. Golden ging die Sonne hinter den Bergen auf und schaute mit neugierigem Blick über ihre Gipfel in das Tal herab und siehe! der Teufel hatte sein Wort gelöst: in kühnem Bogen wölbte sich über die dahin brausende Saane die versprochene Brücke. Freude und Jubel war da unter den Bewohnern jener Gegend, nur die, welche um das Bündnis mit dem Teufel wussten, konnten sich des so prächtig ausgeführten Werkes nicht recht erfreuen. Nicht lange aber sollte ihr Kummer, ihre Besorgnis dauern: war der Teufel ein Mann von Wort, so war es der Schneider auch. Einen grossen Sack auf dem Rücken, kam er pfeifend und singend lustig einhergegangen, drängte die Menge, welche sich schon auf die Brücke stürzen wollte, zurück, warf dafür seinen Sack darauf, den er mit einem schnellen Ruck geöffnet hatte, und aus welchem jetzt sechs Ratten und sechs Mäuse in eiliger Flucht heraus sprangen, die, von eben so viel Katzen verfolgt, in wilder Jagd über die Brücke hinwegeilten. Mit freudigem Mute folgte ihnen der Schneider, ein Kruzifix in der Hand, dass er, einen heiligen Segen sprechend, auf dem mittelsten der Brückenpfeiler aufpflanzte. Als der Teufel, welcher in der Hoffnung auf die ihm vertragsmässig zugesprochene Beute am andern Ende der Brücke in derselben Gestalt wie am vorigen Abend auf der Lauer lag, dies erblickte und sich so getäuscht sah, ward er teufelstoll, nahm sofort seine wahre Höllengestalt an und riss mit seinen Krallen von der jähen Felswand Felsblock auf Felsblock, welche er alle nach der Brücke warf, um sie wieder zu zerstören. Die Macht des auf ihr aufgepflanzten Kreuzes vereitelte jedoch seine Absicht. Ohne Schaden anzurichten, fielen die Felsblöcke zu beiden Seiten der Brücke in die Saane, wo sie, ihr von Stunde an ein schützender Wall, heute noch liegen.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch