Der Freiherr von Brandis

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

In dem Chore der Kirche zu Lützelflüh liegt ein Freiherr von Brandis begraben. Von ihm geht die Sage, jedes Mal, wenn die Flühluft über die Berge weht und der Schnee zu schmelzen droht, sei er verdammt, diese Stätte der Ruhe zu verlassen. In voller Rüstung, die eiserne Streitaxt in der knöchernen Hand, sieht man ihn dann in dem Bette der Emme rastlos auf und abschreiten und da, wo er lockere Pfähle in den Schwellen sieht, schlägt er sie mit kräftigen Hieben wieder fest oder ersetzt sie durch neue, wenn es Not tut. Dumpf und schauerlich tönen da die Schläge seiner Streitaxt durch die Nacht, den Anwohnern aber sind sie ein warnendes Zeichen, ihr Eigentum vor den anschwellenden Gewässern der Emme bei Zeiten zu wahren. Dieses Wächteramt aber, zu welchem den Freiherrn von Brandis der Fluch eines armen Müllers verdammte, den er zur Zeit, als ihm die mächtig angewachsene Emme die Mühle hinwegriss, abhielt, den Seinen rettend Hülfe zu bringen, muss derselbe so lange ausüben, bis die Emme, zahm geworden, keine Schwellen mehr braucht.

C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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