Zu Aesch pflegte St. Beatus zu predigen. Als er sich einst etwas verspätet hatte, war sein Gefährte, der heilige Achatus, an seine Stelle getreten. Die Kirche war schon über und über mit frommen Zuhörern angefüllt als St. Beatus erschien. Da es aber eben ein sehr warmer Tag und St. Achatus auch kein besonderer Redner war, musste er zu seinem grossen Leidwesen sehen, wie einer nach dem andern von der Gemeinde in süssen Schlaf verfiel. Desto eifriger und andächtiger lauschte St. Beatus den Worten seines Schülers; da nahm er plötzlich den Teufel unter der Kanzel wahr: ein Bein über das andere geschlagen und eine Krähenfeder in der Hand sass er da und schrieb in aller Eile auf ein grosses Bocksfell die Namen der ihm verfallenen Schläfer. St. Beatus war darüber in Verzweiflung, gern hätte er die Schläfer geweckt, aber er durfte, ohne eine Todsünde zu begehen, die Predigt nicht unterbrechen. Der Teufel schrieb indess fleissig fort und schon war seine höllische Schreibtafel angefüllt, ohne dass sämtliche Namen der Schlafenden verzeichnet waren. Da kam der Teufel, der die Gelegenheit, so viel Seelen als möglich zu erhaschen, nicht unbenützt vorüber gehen lassen wollte, der Gedanke, die Bockshaut noch etwas in die Länge und Breite auszudehnen, indem er das eine Ende mit den Zähnen und, sich gegen den Taufstein stemmend, das andere Ende mit den Klauen fasste. In dieser wahrhaft teuflischen Absicht strengte er sich aber so heftig an, dass plötzlich das Bocksfell riss und sein Kopf mit aller Gewalt an den Fuss der Kanzel schlug. Dies gewährte aber einen so komischen Anblick, dass St. Beatus laut auflachen musste, darob die ganze Gemeinde wenige Augenblicke noch vor dem Amen erwachte und dem Teufel die Beute, die er schon sicher in der Hölle untergebracht wähnte, verloren ging. Natürlich war dies dem Teufel sehr unangenehm. Zornig und sich schämend fuhr er von dannen und stürzte sich in den Thunersee, dessen Wellen hoch aufbrausend über ihm zusammenschlugen. Der heilige Beatus aber ging für die Sünde, die er dadurch begangen, dass sein schadenfrohes Lachen die Predigt unterbrochen, nicht leer aus. Als er an den See kam, über welchen er auf seinem Mantel nach seiner Wohnung, der Beatenhöhle, überzusetzen pflegte, hatte dieser die ihm von Gott verliehene Kraft, den Heiligen zu tragen, für immer verloren.
C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch