Es kam einmal ein fahrender Schüler ins Bergli hinaufgekommen und in eine Hütte gegangen. Es wird wohl kein reicher gewesen sein (sie können nur andere Leute reich machen), darum bat er den Sennen um etwas zu essen, um Gottes Willen. Aber der Senn war ein harter Kerl und sagte: „Chum mer ad Chilbi, du Strolch!“ (D.h. er wollte nichts von Bettlern wissen.)
Daraufhin ging der Schüler hinüber nach Chrauchtal und denkt sich: „Die werden mir wohl auch nichts geben.“ Aber die in Chrauchtal haben ihm so viel gegeben, wie er wollte, Molke und Ziger und vom übriggebliebenen Fänz (einer Speise aus Mehl und Butter) und fragten ihn, ob er über Nacht bleiben wolle. Nach dem Nachtessen sitzen der Senn und der Zusenn und die Knechte mit dem Schüler beim Feuer und haben Kurzweil. Der Schüler sagt: „Eine schönere Alp als Chrauchtal gibt’s weit herum nicht.“ „Das finden wir auch,“ meint der Senn, „Wenn wir nur nicht von diesen Nattern geplagt würden. Die beissen das Vieh in die Beine und saugen den Kühen die Milch aus dem Euter. Das Eigenartigste ist, dass sie im Bergli drüben keine haben.“ „So? Die haben keine dort drüben?“, fragte der Schüler. Sonst sagte er nichts.
Aber am anderen Morgen stellte er sich auf eine Erhöhung und machte allerhand Faxen, schlug Ringe und bannte die Nattern von Chrauchtal ins Bergli hinüber, so dass man jetzt in Chrauchtal keine mehr sieht und alle drüben sind.
aus Kleintaler Mundart übersetzt
Original: Die Bergli-Ateren
Es ischt e Mal e fährede Schueler i Bergli ufe chu und ine Hütte g'gange. Es wird schätz kei ryche gsi si (sie chänd nu ander Lüt rych mache), drum het er dem Sänn etis z'Esse gheuschet, der Gottswille. Aber der Senn ischt e herte Dingeler gsi und het gseit: „Chum mer a d'Chilbi, du Strolch.“
Uf das gat der Schueler i Chrauchtel übere-n-und tänkt: „Sine gänds mer da au nüt?“ Aber die i Chrauchtel heid em g'gi so viel er het möge, Schotte-n-und Ziger und vum überbliebne Fänz und heidne gefraget, eb er well übernacht si. Abem z'Nacht sitzet der Sänn und der Zusänn und d'Chnecht mit dem Schueler um d's Für umme und heid Churzwyl. Der Schueler seit: „E schüneri Alp gits doch wyt umme keim as Chrauchtel.“ „Mer meinteds au“, seit der Sänn, „wämmer nu nüd mit dene Tunstigsatere plaget wäred. Die Chöge byssed d's Veh id Bei und suged de Chüene d'Milch ussem Uter use. Das ertigist ist, dass die i Bergli kei heid.“ „So? Heid sie kei dänne?“, fraget der Schueler. Süsst seit er nüt.
Aber am Morged ist er uf-ne Büchel ufe gstande und het allerhand Faxe g'macht und Ring g'schlage und d'Atere us Chrauchtel i Bergli übere b'bannt, as me-n-jez i Chrauchtel kei meh gseht und all überänne sind.
(Kleintaler Mundart)
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.