Z' wild Mandle het sis Wort g'halte.
Auf dem Berge, der Saanen und Abländschen von einander trennt, liegt eine Bergweide, der so genannte Rudersberg.
Nahe daselbst ist auch die nach ihm benannte Rudersberg-Fluh. Diesen Berg hat mein Ahngrossvater manchen Sommer mit seinen Kühen bezogen. Einst ist im Herbste ein wildes Bergmännchen zu ihm gekommen, und hat verlangt, dass er ihm von seinen Kühen ein Stück den Winter über zu nutzen gebe. Er getraute sich anfangs nicht darauf einzugehen; das Bergmünnchen aber ist mehrmals gekommen, und hat immer mehr angehalten, bis er zuletzt gedacht, wenn er ihm nicht willfahre, so werde er mit seinem Vieh nachher desto weniger Glück haben, und endlich könne er den Verlust noch wohl ertragen, wenn er auch sein Kühlein nicht wieder sehen sollte. Er nahm sich vor, aus seinen Kühen das geringste Stück auszulesen, und es dem Männchen anzuvertrauen, und entliess dasselbe mit dem Versprechen, zur Abfahrt wolle er ihm eines geben. Am Kühscheid (Alpabfahrt) ist das Männchen gekommen und hat das Kühlein, das er ihm an einem Seile dargereicht, furchtsam zur Hand genommen, und ist damit gegangen und hat es durch die Felswände der Rudersberger Flühe, wo nur Gemsen gehen können, ohne Gefahr hinweg geführt.
Im andern Jahre, als er wieder auf den Berg gefahren, ist das Männchen mit dem Kühlein wieder gekommen, und hat auch ein Kälblein von demselben mitgebracht. Auch im Herkommen hat es denselben schauerlichen Weg gefahrlos zurückgelegt. Das Kühlein am Seile führend hat es ihm dasselbe, wie beim Empfange, furchtsam an die Hand gegeben, ihm aber dann sehr gedankt und gesagt, jetzt habe es Käse für sein Lebtag gemacht. Da hat er es gefragt, wie es dasselbe gewintert habe; und auf dieses hat es zur Antwort gegeben: bei lauter Würzlein, die es den Sommer hindurch gegraben und getrocknet habe. Darnach ist es wieder gegangen, aber nie mehr gekommen.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.