In Safien weiss man noch die Stelle und zeigt, da das wilde Männlein mit seiner Frau gewohnt hat. „Z'wilta Mannlis Balma", ein überhängender Felsen, unter welchem die Wohnung stand, liegt in der Alp Falätscha und jeder Knabe aus den benachbarten Höfen kann einem dieselbe zeigen.
Von dort kam einmal, es war schon in dunkler Nacht, ein wildes Männlein nach dem Hofe „Bühl" und klopfte leise an einem Hause an, wo eine Frau wohnte, welche im Tal als eine gewandte Geburtshelferin bekannt war. Als die Frau unter die Türe trat, eröffnete nun das Männlein ihr sein Anliegen. Jene bezeigte aber keine Lust in tiefer Nacht dem Männlein zu folgen. Aber als dann das Männlein unter Tränen sie um ihrem Beistand bat, da willigte sie endlich ein. Das Männlein wartete vor der Türe, bis die Frau kam. Die Alp Vallätscha und des wilden Männleins Wohnung waren nicht sehr weit; die Frau ging so rasch sie konnte, aber es war ihr unmöglich, dem Männlein Schritt zu halten, welches stets voran lief und dann wieder bis zur Frau zurückkehrte, weil dieses Völklein nur lief und niemals ging. Bei der „Balma" angekommen, gelang es der Frau, das wilde Weiblein von einem Zwillingspärchen zu befreien, welches auch gleich nach der Geburt mit Händen und Füssen zappelte und am Boden herumzukriechen begann. Nun wollte sich die Frau entfernen.
Da hiess das wilde Männlein sie ihre Schürze mit Kohlen füllen, die auf dem Feuerherde lagen. Die Frau tat es auf wiederholtes Zureden, um dem wilden Männlein zu willfahren, liess dann aber aus der nachlässig aufgeknüpften Schürze unterwegs fast alle Kohlen herausfallen, welche dann das Männlein, das bis zu ihrer Wohnung ihr nachlief, auflas. Sie warf die drei Kohlen, welche sie noch übrig hatte, in der Küche auf den Herd. Am andern Morgen fand sie dieselben in Gold verwandelt; sie eilte zurück den Berg hinan, um die verlorenen Kohlen zusammenzulesen, aber das Männlein hatte sie alle sorgsam mit sich genommen.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.