Zur Zeit als die Pest unter dem Namen „der schwarze Tod" in Graubünden war und unzähliche Opfer forderte, so dass ganze Höfe ausstarben und in vielen Gemeinden man keinen Platz mehr auf den Friedhöfen hatte, um die Toten zu begraben, machte man die Entdeckung, dass gar keine wilden Männlein und Weiblein an dieser furchtbaren Krankheit starben, und man kam daher auf den richtigen Schluss, dass dieselben ein Geheimmittel dagegen besitzen. Aber niemand konnte dasselbe erfahren, denn sie wollten es durchaus nicht sagen. Da fiel einem Manne eine List ein.
Ein wildes Männlein, welchem man für Hirtendienste, die es leistete, öfters Nahrung auf einen Stein legte, musste das Geheimnis ausplaudern. Jener Mann füllte ein Loch, das im Stein war, mit Wein an. Nach einer Weile trat der Mann aus dem Versteck hervor und fragte das Männlein, was gut sei gegen die Pestkrankheit. „Ich weiss es wohl“, sagte das Männlein, „Eberwürza und Bibernella, aber das säg i dir no lang nit." Der Mann war über den Fund so erfreut, dass er es vergass, noch nach mehrerem zu fragen, das ihm das wilde Männlein in diesem Zustande gewiss mitgeteilt hätte. Er eilte nach Hause, machte das Mittel bekannt und siehe, hierauf starben keine Menschen mehr an der Pest.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.