Geht man von dem Kirchdorfe Zimmerwald über Niedermuhlern nach dem freundlichen, am Fusse des Längenbergs gelegenen Dörfchen Rümligen, so führt ein enger Fusspfad, der oft durch Felsen gehauen ist, durch einen sehr steilen felsichten mit Gestrüpp bewachsenen Abhang hinab. Etwa in der Mitte dieses Abhanges erhebt sich eine ungeheure Felswand neben dem Fusspfad hoch empor, und schauerlich ertönt der Fusstritt in diesen geklüfteten Steinmassen. Am Fusse dieser Felswand erblickt man eine weite Felsengrotte, senkrecht in die dunkle Tiefe gehend. Hier soll vor alter Zeit eine Familie von Zwergen gewohnt haben, die dann von dieser Grotte aus die Bewohner umher besucht und ihnen oft in der Not geholfen haben. So ist einst ein Mann, der für die Kindbettmahlzeit Wein in Rümligen einkaufen wollte, dazu aber kein Geld hatte, traurig auf den Längenberg mit geborgtem Weine zurückgekehrt. Als er neben dieser Grotte, wo die Zwerge wohnten, vorbei ging, wurde er von einem derselben gefragt, wie es ihm gehe. Der Mann klagte ihm nun seine schwierige Lage, und husch!, das Zwerglein war mit dem Weinfässchen, das der Mann unter dem Arme trug, verschwunden. Bald kehrte es jedoch wieder, und gab dem erstaunten Mann das Fässchen mit dem Worten zurück: „Gehe nun heim, und warte den Gevatterleuten mit Wein auf", und bei diesen Worten war der kleine Wohltäter wieder verschwunden. Verwundert und beruhigt kam der Gevattermann nach Hause und bediente nun seine Gäste; und noch oft erheiterte er seine Familie mit einem Trunk aus diesem wunderbaren Fässchen; denn so lange dieses Geschlecht lebte, ward das Fässchen nicht leer.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.