An der östlichen Seite des Längenberges, westlich vom Dorfe Kaufdorf, ist die Gutenbrunnenfluh, in der sich das so genannte Pfaffenloch befindet. Dies ist eine Sandsteinhöhle, deren Versteinerungen man dem Berg- oder Steinvölkchen zuschreibt. In diesem Loche wohnten bis zu Anfang dieses Jahrhunderts Zwerge. Sie hatten schöne Zimmer und allerlei Kostbarkeiten. Am Tage waren sie sehr selten zu sehen, nur des Nachts kamen sie aus ihrer unterirdischen Wohnung hervor. Als einst Reisende das Loch besuchten, warfen sie Steine hinab in die Tiefe; seitdem aber sind die Zwerge fortgezogen und nie mehr bemerkt worden. Einige Männer aus Kaufdorf haben sich einmal an Stricken hinabgelassen, allein in den untern Zimmern ist ihnen das Licht erloschen. Als die Zwerge sich dort noch aufhielten, pflügte einst ein Bauer nahe bei jenem Loche. Der Bauer und sein Knecht rochen aus einmal etwas Gebackenes. Der Bauer sagte: „So ein Kuchen würde uns jetzt auch gut bekommen.“ Sie pflügten weiter und wie sie umkehrten und dem Loche näher kamen, sahen sie ein weißes Tuch vor der Furche liegen. Sie gingen hinzu und gewahrten einen prächtigen Kuchen und eine Gabel und ein Messer darin. Sie setzten sich nieder und aßen den Kuchen; nachher legten sie das Tuch schön zusammen und Gabel und Messer hinzu und setzten ihre Arbeit fort. Als sie sich von dem Tuche entfernt hatten, sahen sie, wie ein Zwerg das Tuch holte.
Ein anders Mal, als der Bauer an einem Samstag Nachmittags um 4 Uhr noch pflügte, kam ein Zwerg zu ihm auf den Acker und fragte ihn, ob er nicht Feierabend läuten höre und warum er mit seinem Ackerzuge nicht nach Hause gehe. Der Bauer antwortete, er höre noch nichts, es läute erst in 2 Stunden. Der Zwerg aber sagte, er solle ihm auf seinen rechten Fuß stehen und dann hören ob es nicht läute. Bauer tat also und hörte wirklich ein herrliches Geläut. Dieses machte einen solchen Eindruck auf ihn, dass er von nun an jeden Samstag Nachmittag um 3 Uhr aufhörte zu arbeiten.
Aus dem Pfaffenloch steigen oft säulenförmige Nebel auf, und alle Mal nach einem solchen Nebel tritt nach einigen Stunden Regen ein. Daher sagen die Leute noch jetzt, wenn dort Nebel aufsteigen: „Es will regnen, die Zwerge kochen." Die Zwerge im Pfaffenloch sollen eine Kuh gehabt haben, welcher das jeweilen zum Verzehren ausgeschnittene Fleisch stets wieder nachwuchs.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.