In der Großen Riedera lebte vor Alters ein Küher namens Dietrich, welcher in einer Quatembernacht geboren war, und darum alle Zwerge, Kobolde, Polter- und Berggeister sehen konnte. Sein Liebling, der sich gewöhnlich bei ihm aufhielt, war ein kleines, winziges, zerlumptes Schrätteli, das eine rote Kappe trug. Eines Abends wärmte sich Dietrich beim Feuer, und sein Hausgeist leistete ihm Gesellschaft. Er äffte aus Mutwillen oder übel verstandener Gefälligkeit alles nach, was jener tat. Zog Dietrich ein Stück Holz aus dem Feuerherd, so folgte wie durch Zaubermacht ein zweites nach; legte er aber eins hinein, so folgte auf der Stelle ein anderes. Dies ärgerte den Küher endlich so sehr, dass er vor Zorn ein brennendes Scheit ergriff und damit den Nachäffer aus der Küche jagte, worüber dieser lange Zeit grollte und sich nicht mehr sehen ließ.
Man sagt, er habe sich unterdessen im Marvoberge hinter Galmis (Charmey, Anm.) aufgehalten, wo er die Kühe hüten und eintreiben half. Ein Senn legte ihm jeden Abend ein Gebslein mit Milch oder Rahm in eine Mauerhöhle, wo sie der unsichtbare Geist stets fleißig austrank. Als er aber eines Abends Sürbelen (Molke, aus der man den Ziger entnommen hat) darin fand, und sonst noch was Schlechteres, verunglückten dem Küher während der Nacht einige der schönsten Kühe, wodurch er beträchtlichen Schaden erlitt. Der Berggeist verschwand sogleich und stellte sich wieder bei Dietrich ein, mit dem er einen ewigen Frieden schloss. Allein dieser dauerte nur drei Tage; denn schon am vierten fingen sie in der Scheuer wegen des Fütterns (Gaumens) der Kühe einen so heftigen Streit an, dass Dietrich vor dem boshaften Zwerge fliehen musste, der ihm, als er durch das Tenn (die Tenne) sprang, eine eiserne Heugabel nachwarf; aber glücklicherweise traf sie ihn nicht, durchbohrte aber das dicke hölzerne Thor.
Jetzt hört man nichts mehr von diesem Schrätteli.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.