Des Sommers kam häufig all die Schar der Zwerglein aus den Flühen herab ins Tal, und gesellte sich entweder hilfreich oder doch zuschauend zu den arbeitenden Menschen, und namentlich zu den Mädern im Heuet (der Heuernte). Da setzten sie denn wohl sich vergnügt auf den langen und dicken Ast eines Ahorns in das schattige Laub. Von boshaften Leuten aber ward der Ast einmal bei Nacht durchgesägt, dass er nur noch schwach am Stamme hielt, und als die arglosen Geschöpfe sich am Morgen darauf niederließen, krachte der Ast vollends entzwei, sie stürzten auf den Grund, wurden ausgelacht, erzürnten sich heftig und schrien: „O, wie ist der Himmel so hoch und die Untreu so groß! Heute hieher und nimmermehr!“ — Als Leute von Wort ließen sie niemals in diesem Lande sich wiedersehn.
Nach einer andern Erzählung war es der Zwerglein Gewohnheit, sich auf einen großen Felsstein zu setzen, und von da den Heuern zuzuschauen. Aber ein paar Schälke machten ein Feuer auf den Stein, ließen ihn glühend werden, und fegten dann alle Kohlen hinweg. Am Morgen kam das winzige Volk und verbrannte sich jämmerlich, und rief voll Zornes: „O böse Welt, o böse Welt!“ — und schrie um Rache, und verschwand auf ewig.
Nach der Angabe anderer zeigen sich die Zwerge immer in weißen Mänteln, welche lang auf der Erde schleppten und im Stillen sagte man, sie hätten Gänsefüßchen, oder solche deren Zehen nach hinten stünden. Da war denn ein Schalk, der einen Kirschbaum hatte, wo sie manches Jahr ihm Nachts die Kirschen abgepflückt und freundlich hingebreitet hatten vor die Scheune. Der ließ im nächsten Jahre um den Stamm des Baumes Asche streuen. Wirklich zeigten sich die Füße der Zwerglein in den Stapfen wie Gänsetritte: Aber das verratene Völklein wich für ewig fort.
Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.