Oberhalb der Bauernhöfe Hägelen, eine Viertelstunde vom Städtchen Kaiserstuhl entfernt, am linken Rheinufer, stehen zwei sehr grosse Felsen, die auf der Südseite senkrecht abfallen und voll Scharten und Löcher den hier nistenden Vögeln einen sicheren Aufenthalt bieten. Der grössere der beiden Felsen heisst die Lampohrenfluh und hat eine tiefe Höhle, die auch jetzt noch zuweilen besucht wird. Sie war einst der Wohnort friedlicher Zwerge. Hier herauf trugen sie säckleinweise ihr Mehl aus der Talmühle, und brachten dafür Glück und Segen in diese hinab. Aus dem Mehl buken sie den armen Leuten Kuchen, aus allerlei Kräutern bereiteten sie Arzneien für die Kranken, in der ganzen Umgegend hielt man sie in hohen Ehren und gar nichts war ihnen nachzusagen, als dass sie ungewöhnlich grosse Ohren hatten, die ihnen sogar unter der Mütze hervor schlappten (lampten). Aber der Meister-Müller wurde allmählich reich, hierauf geizig, und zuletzt war er auch des Besuchs seiner Wohltäter überdrüssig geworden. Er mischte ihnen daher Gips unter ihr Mehl und meinte, sie würden daran sterben. Allein sie lachten nur über seinen törichten Geiz und warfen das giftige Mehl zusammen in den Mühlbach hinein, aus dem er sein Vieh tränken musste. Nun ging ihm Ross und Rind drauf. Ein Unglücksfall folgte dem andern, der Müller verlor seine ganze Habe. Vollständig verarmt nahm er seinen letzten Sack Mehl und stieg damit nach der Höhle hinauf, um es den Zwergen zu bringen. Diese waren aber bereits ausgewandert, und anstatt sie zu finden, stürzte er in eine Spalte und fand seinen Tod.
(Nach der Erzählung Bilgers v. Kaiserstuhl, einberichtet durch Sarer v. Wohlenschwil.)
Sage aus Kaiserstuhl
Band 3.1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Naturmythen, Neue Schweizer Sagen, Leipzig 1962, S. 106 - 107
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.