Zwischen Oberwil und Brütten im Kanton Zürich ist ein Acker, Steinmürli genannt. Am Saume desselben steht ein einsamer Baum, unter welchem ein Schatz ruhet. Oft schon ward derselbe zu heben versucht, allein es sind durch Zauber solche Bedingungen an die Hebung geknüpft, dass es bisher keinem Sterblichen gelungen ist, dieselben zu erfüllen. Einst ging nach Mitternacht ein Mann zu diesem Baume und grub. Bald erschien ein schönes Weib und machte ihm Hoffnung, dass er das Ziel seiner Wünsche erreichen werde, allein er müsse drei Mal ihr einen Kuss geben. Sie gewährte ihm heute den ersten Kuss. Als er in der folgenden Nacht wieder kam, sass eine grosse scheussliche Kröte (denn in diese hatte sich das schöne Weib verwandelt) unter dem Baume. Er brachte es nicht über sich dieselbe zu küssen, sondern floh davon. In der dritten Nacht fand er die Kröte abermals da sitzen, und als er sich wiederum zu einem Kusse nicht entschliessen konnte, ward er plötzlich wahnsinnig und konnte nicht mehr geheilt werden.
Ein andermal machte jemand ebenfalls den Versuch, den Schatz zu heben, allein auch ihm wurden solche Bedingungen gestellt, die er nicht eingehen konnte. Als er nämlich grub und hackte, erschien ein Weib und sagte, bevor er den Schatz heben könne, müsse er einen gewissen Baum im Walde fällen und aus demselben eine Wiege zimmern; und erst wenn ein Kindlein dieser Wiege schreien würde, gelänge es ihm den Zauber des Schatzes zu lösen. So wurde auch dieser auf eine ungewisse Zukunft vertröstet und erreichte sein Ziel nicht.
Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch