Einst fand ein Mann, der im Steigwald Holz fällen wollte, an einer Buche mit einem Stricke gebunden einen jungen, schönen Fuchs, welcher, als er ihn mit der Axt erschlagen wollte, mit so schönen Augen ihn bittend anblickte, dass er, von Mitleid ergriffen, den Strick entzwei hieb, und das niedliche Geschöpf laufen liess. Nach einigen Jahren kam er auf einer Rückreise von Italien, wohin er mit Vieh zu Markte gegangen war, in ein abgelegenes italienisches Wirtshaus, um zu übernachten. Die junge Wirtin betrachtete ihn mit ihren blauen Augen aufmerksam, jedoch freundlich, und tischte ihm sodann alles Mögliche auf. Zwar sagte er ihr, er begehre nicht so viel und sei mit wenigem zufrieden. Allein sie antwortete, er solle sich durchaus nicht darum bekümmern, und es sich nur recht gut schmecken lassen. Am andern Morgen, als er nach reichlich genossenem Frühstück seine Zeche zahlen wollte, wollte ihm die Wirtin durchaus nichts abnehmen; sie sei ihm so viel Dank schuldig, dass sie es ihm wohl niemals werde vergelten können. Als er erstaunt fragen wollte, wie das möglich sei, da er sie nie zuvor gesehen, sagte sie: "Seid Ihr es nicht, der vor zwei Jahren im Maienfelder Steigwald einen angebundenen Fuchs befreit hat?" Als er dies bejahte, fuhr sie fort, sie selber sei es gewesen, die in Gestalt eines Fuchses verzaubert, durch seine Befreiung dem Tode entgangen, und später des unglücklichen Zaubers entledigt worden sei.
Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch