Dieser Einsiedler bewohnte vor vielen hundert Jahren die Wälder des Grauholzes, unweit der Landstrasse nach Bern. Er war ein Mann von riesenhafter Grösse, denn seine Länge betrug mehr als zwölf Fuss. Seine Kraft war so ungeheuer gross, dass er Bäume entwurzeln, und mit seinen Fingerspitzen Steine zerdrücken konnte. Mit dieser ausserordentlichen Kraft verband er aber eine grosse Liebe zu den Bewohnern der Umgegend. Oft verliess er die dunkeln Wälder, um den Menschen Beweise seiner Zuneigung zu geben. Er ging oft zu ihnen auf das Feld und bot ihnen freundlich die Hand zum Grusse; aber trotz aller Freundschaftsäusserungen wagte es doch niemand ihm die blosse Hand zum Gegengrusse zu reichen, aus Furcht vor seiner aussergewöhnlichen Kraft. Statt der Hand reichten ihm die Bauern die Pflugsterze, welcher die Merkmale seines gewaltigen Händedruckes stets sichtbar eingedrückt blieben. Als er seinen Tod nahe fühlte, grub er sich selbst sein Grab, legte sich in dasselbe und starb darin. Nach seinem Tode fiel seine Schwester, die mit ihm diese Wälder bewohnte und die fast von gleicher Grösse und Stärke war, in tiefe Trauer; sie bedeckte seinen Leichnam und trug in ihrer Schürze zwei sehr grosse Granitblöcke herbei, welche sie auf das Grab ihres Bruders zu bleibendem Denkmal ausrichtete. Als nun auch sie ihr Ende herannahen fühlte, grub sie, ungefähr zwei Schritte von der Ruhestätte ihres Bruders entfernt, ein Grab für sich und trug auch zwei grosse Steine herbei. Nach ihrem Tode wurde sie in dasselbe begraben und die zwei Steine, die sie herbeigetragen hatte, wurden darauf aufgerichtet. Noch jetzt sieht man im Grauholzwalde die zwei nun eingefallenen Gräber mit den darauf sich befindlichen Denksteinen.
Bei Nachgrabungen hat man dort ein riesiges Gerippe entdeckt. Die Grabhügel der vorgermanischen Zeit werden an andern Orten des Kanton Bern Hünengräber genannt.
Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch