Im Munde der Bewohner von Langnau im Emmentale geht die Sage von dem Nachtgejäge. Nordöstlich vom Dorfe auf einer Anhöhe, der Krähenberg genannt, ist ein Wäldchen; in diesem hörte man früher öfters ein Jagen, Flintenschüsse, Hundegebell und Hallo-Rufen. Das geschah am stärksten beim Eintreten von Regen. Auch an Christfesten hört man es immer. Gewöhnlich blieb dieses Jagen nicht am gleichen Orte. Es nahm in diesem Wäldchen seinen Anfang, bewegte sich nach Westen hinter dem oberen Teile des Dorfes durch bis zur Kirche. Dann ging es über den Kirchhof, von dort durch eine Gasse des Dorfes, an der meistens Strohhäuser sind. Westlich vom Dorfe, ebenfalls in einem Wäldchen, dem heiligen Stöcklein, verstummte gewöhnlich die ganze Jagd. Leute, die oft in dem Wege waren und nicht schnell genug ausweichen konnten, legten sich gleich auf den Boden, denn sie wussten, dass ihnen dann nichts Leides zugefügt wurde. Sie erzählen, dass die ganze Jagd über sie hinweggerollt sei, wie wenn junge Schweine vorüberziehen. In dieser Lage mussten sie etwa fünf Minuten lang sein, dann stunden sie wieder auf und gingen ihres Weges, ohne dass ihnen das Geringste zugefügt wurde. Wer sich nicht bückte, wurde ganz zerkratzt. Öfters soll diese Jagd die ganze Gegend unter wildem Lärm durchkreuzt haben.
Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch