Der Bannhölzler (Theodor Vernaleken)

Land: Schweiz
Region: Walchwil
Kategorie: Sage

Im mittleren Rossberg, einer Alpentrift, welche der Gemeinde Zug gehört, steht ein gespaltener Sandfelsen, aus welchem stinkendes Wasser heraus sickert, die "Bannhölzler-Flue" genannt. Von dieser erzählt das Landvolk von Zug, Walchwyl und Ägeri folgendes:

Walchwyl bildete in uralten Zeiten ein kleines Gemeinwesen. Eine reiche Frau von Schwyz machte demselben die Allmend am Zugerberg zum Geschenk. Bei der grossen Ausdehnung dieses Gemeingutes, das für die Bedürfnisse der Walchwyler mehr als hinreichend war, erhielten auch Nachbarn aus der Stadtgemeinde Zug die Erlaubnis, Rinder auf die genannte Allmend aufzutreiben. Aus der unentgeltlich zugestandenen Erlaubnis ward mit der Zeit von den Zugern ein Recht gemacht. Es entstand von Seite derer von Zug ein ernstlicher Streit zwischen beiden Gemeinden um den Besitz eines großen Teils der Walchwyler-Allmend. Bei einem offenen Gericht auf dem fraglichen Grund und Boden erschien, auf einem Schimmel reitend, ein Mann von Zug, Bannwart, als Zeuge und Richter zugleich. Arglistigerweise hatte er beim Fortgehen zu Hause Erde aus seinem Garten in seine Schuhe gelegt und unter seinem Hut auf dem Kopfe einen Löffel ("Schöpfer") und einen Kamm ("Richt-Strähl") verborgen. Beim eidlichen Kundschaft-Verhör vor Gericht sprach er dann: „So wahr ich den Schöpfer und den Richter ober mir habe, so gewiss stehe ich auf zugerischem Grund und Boden. In Folge dieses falschen Eides fiel der Richterspruch zum Nachteil der Walchwyler aus. Bald nach diesem Tage, vielleicht schon auf dem Heimweg von dem Augenscheingerichte, verunglückte der falsche Zeuge - und starb.

Später erschien er, unter dem Namen "Bannhölzler" als bösartiger Berggeist, der denen von Walchwyl an ihrem Vieh vielerlei Schaden zufügte. Ein Geisterbanner aus dem Entlebuch, namens Krummenacher, bannte ihn in die Felsenwand am Rossberg, an welcher man heutzutage noch drei runde Löcher wahrnimmt. In das mittlere dieser Löcher, aus welchem rotes Wasser fliesst, ward der Bannhölzler selbst eingebannt, in das zur linken, das mit blauem Wasser bezeichnet ist, kam sein weisses Pferd, in das zur rechten, woraus gelbes Wasser floss, sein treuer Hund. Hier stürzte der Geist manchen unvorsichtigen über sein Felsengrab, nachdem er ihn durch den Anblick lieblicher Blumen angelockt. Ward er aus der Allmend gerufen, so war er augenblicklich in fürchterlicher Gestalt da. Über die Marchen der Allmend hinaus konnte er nicht gehen. Zuweilen riefen mutwillige Hirtenknaben ihn heraus, immer sich bereithaltend über die Marchlinie hinauszuspringen, wenn er käme. Einst rief ein Geiss-Bube: "Bannhölzer! komm, wenn du mich erwischest, kannst du mich haben!" Schnell schlüpfte er hierauf unter dem Grenzhage durch, was ihm kaum gelang, indem ihm der Geist einen Holzschuh vom Fusse riss.

Am Walchwyler Berge stand ein Haus, dessen Stelle man heute noch zeigt. Neben dem Hause befand sich ein Kegelplatz. Eines Tages warf einer der dortigen Kegelschieber mutwilligerweise die Kugel über das Ziel hinaus und rief: "Bannhölzler! komm, hole sie!" Flugs war der Geist da. Die erschrockene Jugend flieht, ein Mädchen schlüpft rücklings unter dem Zaune durch, der Bannhölzler reisst ihr beide Haarzöpfe vom Kopfe; darauf nimmt er die Kugel und schleudert sie mit solcher Gewalt gegen das Haus, dass sie durch beide Wände hindurch bis auf die entgegengesetzte Seite fliegt. Noch lange nachher sah man die runde Öffnung in einer der Wände.

Endlich ward der furchtbare Ruhestörer in weiterer Entfernung hin gebannt, nämlich in die „Drakmünd" (Pilatusberg). Die von Walchwyl mussten dazu ihre Einwilligung geben, behielten sich aber vor, den Bannhölzler zurückrufen zu können, wenn sich wieder ein Rechtsstreit bezüglich der Allmend erhübe.

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch

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