Der Weg von Flims nach dem Glarnerland führt links am Flimserstein vorbei über den Segneserpass. Dort liegt die verschneite Alp, in alten Zeiten gesegnet und reich an saftigen Kräutern. Ein kleines Stückchen dieser Alp gehörte einer armen Witwe, der übrige Teil einem reichen, gewalttätigen Manne, welcher die Witwe um ihren Anteil beneidete und sie um denselben anfocht. Er behauptete durch einen Handel mit dem verstorbenen Manne der Witwe, Eigentümer ihres Anteils geworden zu sein. Die Witwe suchte Schutz und Hilfe vor Gericht. Ihre Klagen und Tränen rührten das harte Herz des Geizhalses nicht. Er schwur vor Gericht, dass die Sache sich also verhalte und das Besitztum der Witwe wurde ihm zugesprochen. Da rief die Witwe vor den Richtern ihm zu: "Wenn die Alp dir gehört, so wünsche ich, dass sie dir wohl diene, gehört sie dir aber nicht und hast du falsch geschworen, so wünsche ich, dass der Himmel sie zuschneie und dass sie nicht wieder abere und grün werde." Der reiche Mann lachte höhnisch, während die arme Witwe in Tränen ausbrach. Stumm sassen die Richter da und kaum hatte die Witwe ihre Worte gesprochen, so hörte man den Sturmwind brausen und der Regen schlug an die runden Fensterscheiben der Gerichtsstube. Im Gebirg fielen dichte Schneeflocken und es bewies sich, dass der reiche Mann einen Meineid geschworen hatte, denn in drei Tagen und Nächten war die Alp zugeschneit und ist seither niemals mehr vom Schnee frei geworden. Eine eisige Gletscherrinde bedeckt den verfluchten Boden, zur Warnung für alle, die Gewalt und Unrecht tun.
Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch