Im Dorfe Würenlingen, unfern Baden, sass ein Ammann, dessen lange Geschäftserfahrung sich der Gemeinde immer wieder nöthig machte, wenn auch seine wucherische Habsucht nicht minder bekannt und längst allgemein verabscheut war. Im Geschäftchen mit einer Wiese trieb er es aber zuletzt auf die Spitze. Da war nämlich eine Witwe gestorben und hatte mehrere unerzogene Kinder hinterlassen. Unter ihrer Habe bot man nun eine schöne, fette Wiese zum besondern Verkauf aus, weil man hoffte, aus deren nicht geringem Anschlagspreise die Waisen erziehen lassen zu können. Allein des Ammanns Ränke wussten es durchzusetzen, dass man das Landstück ganz niedrig abschätzte und dann ihm zuschlug. Er zog auch noch manches Jahr grossen Nutzen daraus. Doch schon einige Wochen nach seinem Tode wollten die Würenlinger ihren verstorbenen Gemeindevorstand in der Mitternachtsstunde auf jener Matte wieder gesehen haben. Aus einer kleinen Vertiefung mitten im Grundstücke sei er emporgestiegen, mit gebeugtem Haupte, dann wie tiefsinnig um die Stelle herum gegangen und nach kurzem immer wieder verschwunden. Das Gerücht davon kam nun auch seinen zwei reichen Söhnen und der ganzen stolzen Verwandtschaft zu Ohren. Alle beschlossen, nächste Nacht zusammen dahin zu gehen, den Verstorbenen zu sehen und wo möglich anzureden. Um Mitternacht standen sie an der verrufenen Grube, und nach wenig Augenblicken stieg des Vaters Gestalt an ihnen auf.
Als er seine zwei Söhne erblickte, wartete er nicht ihre Anrede ab, sondern begann sogleich selbst und bat sie mit bebender, flehentlicher Stimme, die auf so sündige Weise erstandene Wiese den rechtmässigen Besitzern zurückzugeben. Würden diese ihren Lebensunterhalt haben, so könne er erst seine Grabesruhe finden. Die Verwandten, die mit zuhörten, waren aufs Tiefste gerührt, nicht so die zwei Söhne, die in der Zucht des Ammanns gross geworden waren. Verhärtet suchten sie nun den Vater mit folgendem, gleissnerischen Trostspruche zu entfernen:
„Lide, lide Aetti,
S’ist gar e schön Mättli!“
Sogleich versank die Gestalt. Seither will auch keines den Ammann weiter gesehen haben. Das Landstück blieb in den Händen der Söhne.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch