Schloss Castelen im Aargauer-Jura war vor noch nicht langem eine an Frucht und Wein ergiebige Staatsdomäne gewesen. Die Regierung veräusserte sie, als das Gut zuletzt fast nichts mehr abwarf. Die Schuld daran hat man den Schlossschaffnern beigemessen. Der letzte soll S. geheissen haben. Dieser war auf dem Heimwege von Aarau bei dem Pfarrer von Denschbüren eingekehrt, hatte da getrunken und liess sich nicht abwendig machen, noch am späten Abend über das Gebirge nach Castelen heimzugehen. Er verfehlte im Dunkeln den Weg, gerieth auf die Höhe der steilen Wasserfluh und stürzte da in einem wilden Krachen zu todt. Man hörte ihn wohl schreien, aber die Leute glaubten, es sei das Thier in den Nüschelen und suchten nicht nach. Endlich machte sich sein Bruder auf und fand ihn ganz zerkratzt und zerrissen unten in der Tiefe liegen. Seitdem sah man ihn zu allen Tageszeiten in den Schlossräumen wieder. Gleich seine eigene Magd erblickte ihn, da sie im Schlosskeller Wein holte, wie er hinter dem grössten Fasse sass und ihr die kreidenweisse Hand vorbot. Sie hätte sie aus Mitleiden gerne angenommen, aber der Schrecken trieb sie davon. Auch die Gabelmacherin von Oberflachs hat ihn schon oft in schwarzem Fracke über die breite Schlosstreppe herunter gehen sehen. Man fürchtet ihn kaum mehr, denn er thut niemandem was Leides und trägt jetzt schon ganz weisse Hosen.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch