Nordwestlich vom Dorfe Oberfrick liegen sich der Homberg und der Thiersteinberg gegenüber. Ihre Rücken verlängern sich dann zu einem Bogen, an dessen schmaler Talsohle die Sesseln liegt, ein Ackerland, dessen Besitzer bis heute noch besondere Vorrechte geniessen.
Der Ursprung dieser Sonderrechte wird also erzählt: Jeder der beiden Berge, jetzt mit Hochwald bewachsen, trug früher ein gewaltiges Schloss. Von dem auf dem Homberge ist noch der breite Wallgraben nebst vielen mächtig aufeinander gesetzten Felsblöcken übrig. Zur Verbindung beider Burgen diente eine lederne Brücke. Hier wohnte der Graf von Thierstein. Seine gleich mächtigen Nachbarn waren Hans von Rechberg, der bei dem Dorfe Wittnau auf dem Reichstem sass, und Thomas von Falkenstein mit seinen mehrfachen Schlössern in den Bergpässen des Jura. Die Macht dieser Herren war weithin gefürchtet, ihre zahlreichen Vasallen schienen unbesiegbar, die Mauern ihrer Festen unerschütterlich. Dazu lachte dem Thiersteiner Grafen das Glück im eignen Hause. Seine Frau war fromm und mild und hatte ihm eben ein Töchterlein geboren. Da brach jenes berüchtigte Erdbeben los, welches im Jahr 1356 neben vielen Burgen des Jura auch die Stadt Basel verschüttete. Als die Homburg zu beben begann, riss jener Teil des Schlosses zuerst los, in welchem eben die Gräfin mit ihrem neugebornen Kinde im Wochenbette lag. Aber der Zufall wollte, dass der Burgturm für sich über die Felsen hinabschoss, während Mutter und Kind zusammen in ihrem Rollbette unbeschädigt den Abhang des Berges hinunterglitten und eine beträchtliche Strecke weit in die Kornfelder des Dorfes Oberfrick hingeschoben wurden. Aus Dankbarkeit für diese wunderbare Erhaltung machte die Gräfin alles Land, so weit das Rollbette gekommen war, auf ewig zehnten- und bodenzinsfrei. Und diese Strecke vom Scheitel des Berges bis ins Tal hinab, die solches Recht erhalten hat, ist die Sesseln.
Auch wird erzählt, die Gräfin von Thierstein habe sich eben zur Zeit, da das Basler-Erdbeben 1356 diese Stadt und die meisten Burgen der Umgegend zerstörte, auf ihrem Schlosse zu Pfeffingen aufgehalten. Da habe ein Erdstoss die Schlossmauern umgeworfen. Die Gräfin sei in die Tiefe des wilden Tobels hinuntergestürzt, aber unbeschädigt wieder gefunden worden, und mit ihr zugleich ihr Säugling in der Wiege. In der Chronik heisst es: Des Kindes Götti war der Bischof von Basel. Der kam morndrigs reiten und wollt gen Basel. Da fragt er, ob sein Gotten wär umkommen. Da sprachen sie, nein. Da hiess er das Kind suchen in der Halden. Da ward es fanden zwischen zwei grossen Steinen, und weinet in der Wagen. Das ward ein Weib und gewann viele Kinder.
Nachmals traten die Ritter von Aristorf und Bärenfels mit dem Thiersteiner Landgrafen in ein Bündnis. Sie versammelten sich samt all ihren Edelknechten und Reisigen feierlich auf einer Bergwiese in jenem Fricktalerwalde, den man seither das Junkernholz nennt. Als sie sich hier die Versöhnungshand boten, jauchzte das zahlreich zuschauende Landvolk. Dann setzten die drei Ritter einen Stein auf jener Stelle der Erfenmatte, welcher heute noch gekannt ist. Er bezeichnet auf der Spitze des Berges den Platz, welcher herrenloser Boden ist, weil da die drei Grenzen der Kantone Baselland, Solothurn und Aargau in einem Dreieck zusammenstossen. Er gilt für eine Freiung und wird von den Heimatlosen oft ausgesucht, weil den Landjägern da keine Macht über sie gegeben ist.
E. L. Rochholz,Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch