Im Städtchen Bremgarten wissen die Kinder noch jetzt von einem Weibe zu erzählen, das die alte Sigristin hiess und sich auf allerlei Kunststücke verstand. Wollte sie backen, so fuhr sie im Brodkorbe oder in der Backmulde nachts die Reuss hinab, um sich in Mellingen erst die Zwiebeln zu holen und sie auf jene Brodwähen zu streuen, die sie aus der Scharrete (Teigüberreste in der Backmulde) trefflich zu machen verstand. Sah man sie nun in Mellingen Zwiebeln jäten, so konnte man sie doch zu gleicher Zeit auch zu Bremgarten in ihrem Hause schelten, schnarren und schnattern hören. Dabei ging sie niemals auf dem gebahnten Wege, sondern stets über Wiesen und Wälder querfeldein. Einst hatte in ihrer Nachbarschaft ein Jäger einen Hasen geschossen, fand aber, da er zur Stelle kam, statt seiner nur einen alten Schuh. Er schöpfte Verdacht und ging gleich in ihr nebenstehendes Haus. Da lag sie nun im Bette und erzählte ihm mit tausend Umständlichkeiten, wie sie eben das Bein verrenkt habe. Ein andermal meldete sie ihrem Ehrenkaplan, wie so viele Hasen in ihrem Krautgarten steckten; er möchte also kommen und sich einen Braten schiessen. Er kam mit seiner Doppelflinte, schoss einmal und wieder und traf im ganzen Rudel kein Stück. Als er der Sigristin sein Missgeschick melden wollte, lag die am Hausgang und hatte beide Beine ab.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch