In No. 120 wird behauptet, es habe einst auf dem Grat des Küttiger-Jura eine Hochstrasse, befahrbar mit Ross und Wagen, aus den hintern Bergen her bis nach Biberstein hinab an die Aare geführt. Der Graubündner Chronist Campell, der im 16. Jahrh. schrieb, berichtet, noch in seiner Zeit habe man im Oberengadin beim Silsersee und auf dem Julierberge Spuren einer grossen Heerstrasse und im Fels des Urgebirges die Geleise von Wagenrädern gesehen. Auch der französische Gesandte Paschal in seiner Legatio Rhaet. spricht von diesen Wagengleisen auf dem Julier. Aehnliche Spuren will man auch in Oberhalbstein entdeckt haben. Röder-Tscharner, Kant. Graubünden 1, 96.
Die Römerstrasse über den Julier und Septimer mag allerdings hier vorbei geführt haben; die Sage aber von solcherlei Hochstrassen und Radspuren in den Schneewüsten der Firnenwelt ist allgemein, namentlich häufig am Monte Rosa und Bernhard, und hat in den Waldkantonen grossen, kaum einmal erstiegenen Fels-Einöden den Namen der Karrenwege gegeben. Dies beweist, dass man die Gebirge und höchsten Grenzpunkte einer Landschaft als den Scheideweg ansieht, den der Gott bestimmt und zuerst befahren hat, oder von dem aus er gen Himmel gefahren ist. In solchem Sinne heisst den Alten Götterwagen (Plinius, hist. nat. 2, c. 110) jener äusserste äthiopische Berggipfel, den die unter Hanno's Regierung versuchte karthagische Entdeckungsexpedition erreicht haben soll, und welchen Heeren (Jdeen 2, Abthl. 1, 521) am Senegal sucht.
Rosswagen heisst das 5800 Fuss hohe Tyrolergebirge im Etschkreise; Teufelskarrweg eine querlaufende Felsenschichtung mit tiefen Einschnitten an den Wänden des Thunersees. Jahn, Kant. Bern 276. Die Jungfrau Maria kommt mit dem Christuskinde auf einem Wagen über das Solothurner-Juragebirge bis zum Obern Hauenstein gefahren. In jener Gegend, wo man nachmals den Berg erst durchhauen und Fussgängerbrücken an Ketten zwischen die Wände hinein hat hängen müssen, begegnet sie zu Wagen einem Jäger und giebt diesem dadurch Veranlassung zur Gründung des Klösterleins Schönthal (i. J. 1130) unterhalb der Alpe Kirchzimmern. Das noch vorhandene Kirchlein ist jetzt in eine Scheune verwandelt, am steinernen Portale erkennt man noch ein den Wagen ziehendes Lamm. Hanhart, Schweiz. Gesch. 1, 158.
Ein tiefer Felseinschnitt am Säntis, da wo man in der Höhe von 6680 Fuss zu den obern Messmerhütten aufsteigt, heisst die Wagenlücke. Dies gleicht dem Rennpfad Hütchens, der sich über Gebirge und Wälder gerade hinzog (Grimm, DS. 1, 100), dem chemin des fées, dem Tröllaskeid, dem curriculum gigantum. Myth. 476. Die Sage liebt ihre Beziehungen oft auch nur in negativer und verschleierter Weise auszudrücken.
Solcherlei Behauptungen halb geheimnissvoll, halb neckisch lautend, besagen Gleiches wie die obigen direct lautenden; darunter gehören nachfolgende: Auf dem Luzerner-Emmenhorn liegt im Sodbrunnen ein goldener Wagen, den der Burgherr sich aus denjenigen Schätzen schmiedete, die er den nach Rom Pilgernden abnahm. Reithard, Sag. der Schweiz 222. Im Zireinersee am Sonnenwendjoche in den Meraner-Gebirgen liegt ein goldener Wagen. Wolf, Ztschr. 2, 351. Am Firstmisberge liegt ein goldener Wagen (Stöber, elsäss. Sag. No. 76). Die Urner-Gemeinde Seedorf nennt den Berg, an welchem sie wohnt, Gutschenberg. Im Hügel zu Gerzensee steckt der Schatzwagen und schaut in der Osternacht mit der Deichsel auf der Morgenseite des Raines hervor (Wyß, Idyll. 2, 334). Auf dem Gipfel des hessischen Osternsteines sind Felsblöcke, die ihre jetzige Form nicht aus der Hand der Natur erhalten haben und deren Namen auch auf Opferstätten deuten; eine Spalte heisst Backofen, die andere Bratpfanne, eine dritte die Kutsche. Man entzündet droben die Osterfeuer. Colshorn, Myth. 304.
Anno 1694 fuhr ein Tiroler-Fuhrmann mit einem Wagen voll Wein in den Untersberg, sah aber den Kaiser Rothbart dorten nicht. Durch den letzten unterirdischen Gang des Thurmberges zu Durlach hat man sechsspännig fahren können. Mone, Anzeig. 1838, 476. Am Thore der Schlosskapelle zu Eisenbach sind noch die Radspuren im Stein zu sehen von dem Wagen, mit welchem der feindselige Bruder hier durch die Kirche seine Ausfahrt nahm, um dem andern Bruder niemals begegnen zu müssen. Wolf, Hess. Sag. No. 246.
Vgl. die in Abthl. X, „Bärlisgrub“ No. 440 gegebene Erklärung über die striemenweise erscheinende Frühreife in Saatfeldern.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 217
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch