Ein armer, aber braver Jüngling arbeitete tagsüber fleissig für die arme Mutter und am Feierabend besuchte er seine Braut jenseits des Waldes. Durch den Wald führten schlechte, an Abgründen vorbei gehende Fusspfade. Der Jüngling wurde einmal als er von seinem Besuche zurückkehrte, von einem fürchterlichen Gewitter überfallen, so dass er sich im Dunkel der Nacht auf dem schlechten Wege verirrte und immer tiefer in die Abgründe hinein kam. Dem kräftigen Burschen konnte eine Sturmnacht im Freien wenig schaden. Aber er wusste, dass sich seine Mutter sehr um ihn ängstigen würde. Darum gab er sich vergebliche Mühe, seinen Weg zu finden, und hatte grosse Freude, als plötzlich ein Licht durch das Dunkel schimmerte. Er ging diesem nach und erblickte mit Verwunderung einen Mann in uralter Rittertracht eine Fackel in der Hand. «lch will dir leuchten, guter Junge», sagte der Ritter in tiefem, melancholischem Tone, und ging mit dem Licht voran. Bald war der sichere Heimweg erreicht. Mit aufrichtigem, herzlichem Dank wollte der Jüngling von seinem Führer scheiden. Da ergriff eine wunderbare Freude und Rührung den Ritter. Er erzählte dem Jüngling: «Ich bin der Geist eines Ritters, der Vergnügen dran fand, andere zu quälen. Ein armer Pilger erbat einst einen Wegweiser durch diesen Wald von meinen Leuten. Ich ging selbst mit und löschte aus Bosheit die Fackel. Zur Strafe für diese Untat musste ich als Gespenst nun Jahrhunderte lang durch diesen Wald leuchten, bis es mir gelänge, einmal einem guten Menschen den rechten Weg zu zeigen und dessen aufrichtigen Dank zu vernehmen. Das ist nun durch dich geschehen und ich bin erlöst.»
Aus: U. Brunold-Bigler, Die Sagensammlung der Nina Camenisch, Disentis 1987, mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.