Ein Arbeiter aus dem jenseits der Gislifluh gelegenen Dorfe Thalheim erzählt: In meinen jüngern Jahren, da ich noch tagtäglich über den Berg nach Aarau auf die Arbeit gieng, hatte ich mich einmal abends auf dem Heimwege jenem Buchenwalde genähert, welcher die nördliche Bergwand bis zur Fluh hinauf damals noch viel dichter als heute bedeckte. Da sah ich in jener Gegend, wo die alte Gislikirche gestanden hat, ein Kalb ledig umherlaufen. Ich fieng es, band es an mein Tuch und zog es mit mir heimwärts. Aber bald hatte es sich wieder losgezerrt und da ich es frisch binden wollte, wuchs es nach allen Seiten in die Höhe. Jetzt schien es mir gerathen, das verhexte Thier sein zu lassen und mich davon zu machen. Ich hatte diesen Vorfall schon vergessen, gieng wiederum desselben Weges und trug eine Hutte auf dem Rücken, da lief mir unten am Walde ein hübsches Füllen nach und legte endlich seinen Kopf schnuppernd auf meinen Tragkorb. Kaum aber hatte ich mich darnach umgeschaut, so schwoll es zu einem mächtigen Schimmel auf, blies mich mit einem heissen Athem an, und als ich ihm entkommen wollte, war mir der Weg mit hohen Wänden und Mauern verlegt. Zu meinem grössten Schrecken aber sah ich ganz deutlich, wie ein Reiter auf einem Schimmel von der jähen Fluh her in dem engsten Waldpfade angesprengt kam. Seitdem hab ich mir es nicht wieder einfallen lassen, diesen Weg am Abend einzuschlagen.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch